von Pfarrer Thomas Gruber.
Liebe Mitchristen am heutigen Pfingsttag, liebe Gemeinde am Tag des Heiligen Geistes.
Wer von uns hat schon mal einen Anwalt gebraucht? Wer von uns hat sich schon einmal in komplizierten Rechtsfällen von einem juristischen Beistand die nötige Hilfe geben lassen müssen? Wer muss zur Zeit gerade mal wieder einen Anwalt in Anspruch nehmen? Ob in Ehefragen, ob im Betriebs- und Arbeitsrecht ob in Konfliktfragen um Eigentum oder Erbschaft. Ohne Fachkundige, die ja zumeist Anwälte sind, gäbe es kaum ein Durchkommen durch die unübersichtliche Gesetzeslandschaft, die unser Leben regelt.
Liebe Schwestern und Brüder, unter den vielen Vergleichen, die zur Erklärung des Heiligen Geistes in der Bibel auftauchen, wird uns heute das Bild des Anwalts vor Augen gestellt. Er ist unser Beistand, sagt Jesus mehr als einmal heute im Evangelium: Der Beistand, den uns Gott selber sendet, damit wir in dieser Welt durchkommen.
Sicherlich sind Rechtsstreitigkeiten eine sehr unangenehme Sache, keiner ist darauf aus, von einem Anwalt zum anderen laufen zu müssen. Doch wenn es sein muss: Ein guter Anwalt ist unbezahlbar – eigentlich sogar unersetzbar.
Am heutigen Hauptfest des Geistes, an Pfingsten, werden wir ja wieder mit einer Menge von Bildern hinsichtlich des Heiligen Geistes konfrontiert. Der Geist ist die Taube, der Geist ist der Lebendigmacher, der Heiligmacher, der Geist erfüllt uns mit Inspiration. Der Geist ist der Erneuerer, der Geist ist die pure Vergebung, er ist Gott und damit die Liebe.
Doch heute hören wir von einem Bild, das eher sehr nüchtern wirkt und gerne immer ein bisschen vernachlässigt wurde in der Liturgie und Theologie unserer Kirche. Der Heilige Geist ist unser „von Gott gesandter Anwalt im Rechtsstreit mit dieser Welt“. Im griechischen Originaltext des Johannesevangeliums steht immer „parakletos“, was mit „Beistand“ übersetzt wird. Die Tradition hat dieses Wort gerne mit Tröster oder Fürsprecher wiedergegeben. Wenn man aber ganz genau an dieses Wort „parakletos“ herangeht, dann kommt man zu einer genaueren Übersetzung: Zuflüsterer, Vorsager, Helfer, wenn ich nicht mehr weiterweiß, ja fast schon Souffleur. „Anwalt“ passt da auch sehr gut, da er dem Unkundigen vorsagt, was zu tun ist – im ganzen Wirrwarr der Gesetzesordnung.
Wir Menschen leben im Wirrwarr der Weltordnung und wir brauchen einen Anwalt, um den Weg ins wahre und Ewige Leben zum wirklichen Glück zu finden. Sicherlich! Liebe Schwestern und Brüder, diese Sichtweise, nämlich das Leben hier auf Erden als einen großen Rechtsstreit zu sehen, mag zunächst etwas düster und finster wirken. Zu ängstlich und zu vereinfachend könnte diese Sichtweise auf die Wirklichkeit wirken. Es gibt aber auch diese Sichtweise in den entscheidenden Eingangsworten im Johannesprolog: „… und die Finsternis nahm ihn nicht auf!“
Die Welt in Licht und Dunkel aufzuteilen, birgt als vereinfachende Sichtweise sicherlich immer auch Gefahren. Doch der Evangelist Johannes weiß, was er sagt, wenn er versucht damit der Wahrheit in einfachen Worten Ausdruck zu verleihen. Die Welt in Gott ist im Licht und ohne ihn ist sie im Dunkeln: Eine Erkenntnis, ebenso einfach wie wahr.
Wahr weil einfach. Folgerichtig brauchen wir auch einen Anwalt, der uns sagt, was richtig ist. Einen Anwalt, der uns das richtige Wort gibt. Natürlich ist Jesus unser Anwalt bei Gottvater, aber auch der Heilige Geist ist unverzichtbar.
Der heilige Irenäus sagte schon vor 1800 Jahren sehr trefflich: Gott hat zwei Hände, die uns helfen, Jesus und den heiligen Geist; sie helfen uns durch diese Welt hindurch. Sie sind der Zuruf Gottes, das rettende Wort, auf das wir im Glauben vertrauensvoll hören dürfen.
Wir in der Welt haben es durchaus mit einem Wirrwarr zutun. Die Welt war noch nie einfach, heute gilt diese Feststellung in doppelter oder besser gesagt mehrfacher Weise.
Die Welt: Wie schwer ist es den richtigen Weg zu finden, die richtigen Entscheidungen zu treffen? Woran findet der Mensch noch Orientierung? Wie schwierig ist die Situation für den heranwachsenden Menschen? Was strömt alles auf ihn ein? Wie viele Gedanken und Modelle von der richtigen Ernährung, der richtigen Erziehung, von der richtigen Bildung etc. behämmern uns?
Wenn wir im Glauben da keinen „Anwalt“ hätten? Wie ein Bergführer, der uns durch Nebel lotst, gibt er uns in dieser Welt die nötige Hilfe.
Als Glaubender mag man da schon gerne seine Gedankenspiele machen: Hoffentlich sagt er mir, wie ich mich entscheiden soll bei der Wahl des Lebenspartners, beim Kauf eines Hauses, bei den Einscheidungen in der Erziehung der Kinder, oder die richtigen Antworten bei der Abiturprüfung.
Doch die Hoffnungen dürfen bei ihm noch viel größer sein. Hoffentlich gibt er mir auch den Trost und den Mut, wenn etwas mal schief geht, hoffentlich gibt er mir auch die Einsicht, nicht nur um den eigenen Vorteil bitten zu wollen. Hoffentlich schenkt er mir die Gelassenheit, auch mal über so mancher Sache stehen zu können. So viele Dinge gibt es, die mir den Anwalt des Geistes so nötig machen. Doch das wichtigste, dass uns der Geist schenken will, ist der Glauben an das Ewige Leben. Wenn das unser Anwalt leistet, dann ist die Geistsendung, wie uns heute im Evangelium erzählt wurde, schon in Erfüllung gegangen. Diese großen Dinge kann doch nur der Heilige Geist. Er tut es in der Gemeinschaft aller Glaubenden der Kirche. Auch/gerade ich in meiner Aufgabe als Priester kann mir das sehr bewusst machen: wenn ich als Pfarrer jemanden die Sünden vergebe und sage, Gott nimmt dich an, dann kann das nur der Heilige Geist, nicht ich; wenn ich im Hochgebet mit ausgebreiteten Armen bete, ….; dann kann das nicht ich, sondern nur mein Anwalt bei Gott.
Wir haben einen guten, unbezahlbaren Anwalt bei Gott, wir brauchen ihn, wir bekommen ihn „gratis“, er lässt uns diese Welt in glücklichem Licht erscheinen, er gibt uns die Gedanken der Ruhe, der Gelassenheit und des Vertrauens, in dieser Welt tief und glücklich zu leben.