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Die Wüste lebt!

von Pfarrer Thomas Gruber.

Das Auftreten des Täufers
Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn.

Wie geschrieben steht beim Propheten Jesaja – Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der deinen Weg bahnen wird. Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen! –  so trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündete eine Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden. Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen. Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig.

Er verkündete:
Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken und ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Ich habe euch mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.

Die Taufe Jesu
Und es geschah in jenen Tagen, da kam Jesus aus Nazaret in Galiläa und ließ sich von Johannes im Jordan taufen. Und sogleich, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel aufriss und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam.

Und eine Stimme aus dem Himmel sprach:
Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.


Die Versuchung Jesu
Und sogleich trieb der Geist Jesus in die Wüste.

Markus 1,1-12

Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal im Heiligen Land, also in Israel, waren. Ich selbst erinnere mich relativ gut, als ich vor ziemlich genau 10 Jahren das erste Mal das Geburtsland Jesu besucht habe.

Mit einer Vorbereitungsgruppe für spätere Heilig-Landfahrten durfte ich die verschiedensten Stätten sehen, von denen ich aus der Bibel schon oft gehört hatte: Bethlehem, den See Genezareth, Jerusalem, das Tote Meer. Und das erste Mal war ich so richtig in der Wüste. Für viele in meiner damaligen Reisegruppe war es der Erstkontakt mit ihr. Bei der Fahrt nach Jericho wurde für alle so richtig spürbar, was es heißt, in der Wüste zu leben. Dort, wo wir auch immer wieder Beduinen begegneten, die in ärmlichsten Verhältnissen in Wellblechhütten am Straßenrand kampierten, und von denen uns der Reiseführer die interessantesten Geschichten erzählte. Bei dieser Fahrt ging es mir wieder auf, dass wir einen Glauben haben, der so viel mit der Wüste zu tun hat.

Die großen Religionen, die an einen einzigen Gott glauben, haben als Ursprungsort ihrer Gotteserfahrungen die Wüste. Angefangen von Abraham über Mose und Elija, die ja zum Glaubensgut des Judentums, des Islam und des Christentums gehören, besitzt unser Gottglaube durch die Wüste einen besonderen Charakter. Unser Glaube kennt die Begleitung Gottes gerade in Wüstenzeiten. Unser Glaube an unseren „Einen Gott“ in „Drei Personen“ ist deshalb so ganz anders als alle Naturreligionen. Gott ist nicht der Baum, die Blume, der Stein. Gott ist nicht eine Wolke oder ein Blitz. Nein, Gott ist der, der in der Wüste führt und begleitet. Oftmals nur in aller Ruhe.

Die Adventszeit kann wieder auf diese Grundausrichtung unseres Glaubens hinweisen. Der Adventsprophet schlechthin, Jesaia, wird immer wieder als der Mahner in der Wüste bezeichnet. Und: Der Anfang des Markusevangeliums beschreibt die Situation, als ein Johannes der Täufer in der Wüste auftrat.

In der Wüste ist das menschliche Leben näher am Leben dran, darf man sagen. Die Wüste zeigt einem, was / wer der Mensch wirklich ist und wo er wirklich steht, ja was er braucht.

Hier in unseren Breiten sind wir sehr sesshaft, für uns ist die Wüste sehr weit weg. Und doch gerade das sollte uns wieder aufhorchen lassen. Die Erfahrungen der Wüste gehören absolut in das Leben unseres Glaubens hinein. Denn der Mensch, wenn er nur sesshaft wäre, würde zu leicht vergessen, dass er eigentlich doch immer unterwegs ist. Unser Glaube an Gott sagt uns: Wir sind unterwegs und unser Leben ist bei einem guten Blick in die Wirklichkeit dieser Welt eine große Wüstenwanderung.

Wenn ich auf meine Seele schaue, merke ich sehr wohl sehr gut, dass es immer wieder Durststrecken gibt, aber auch immer wieder Oasen im Leben angesteuert werden.

„Wüstenzeiten“ kennen wir alle. Es sind die Krisenzeiten wie Krankheiten, Durststrecken, schwere oder sehr trockene Zeiten, Zeiten, wo ich mich niedergedrückt fühle oder ich nichts mehr an Anerkennung erfahre.

Der Prophet Jesaia antwortet fast wortwörtlich auf solche Krisen:

Tröstet, tröstet mein Volk, spricht Gott der Herr. Redet mit Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, dass ihr „Frondienst“ (=schreckliche Zeit) zu Ende geht, … was krumm ist soll gerade werden.

Bei Jesaia, als er diese Worte vor gut 2500 Jahren schrieb, war die Lage nicht einfach: Alle Israeliten waren in einem fremden Land, in Babylon, gefangen und mussten Sklavendienst leisten. Aber es war Hoffnung da. Ein persischer Großkönig, Kyrus, der Babylon eroberte, war gewillt, sie zu befreien und wieder Gerechtigkeit und Ordnung wiederherzustellen.

Die Menschen haben in ihrer Wüstenzeit die Hoffnung nicht aufgegeben.

Diesen Gedanken der Hoffnung greift Johannes der Täufer direkt am Anfang des Markusevangeliums voll und ganz wieder auf. Er ist der absolute Auftakt des Evangeliums. Er ist der Mann aus und in der Wüste, der genau von dieser Hoffnung bei Jesaia spricht:

Bereitet dem Herrn den Weg; macht eben ihm alle Straßen.

Alles, was in unserem Leben krumm ist, kann nach den Wüsten- und Krisenzeiten wieder gerade gebogen werden.

Johannes der Täufer, so ist man sich heute in der biblischen Forschung einig, war eine Schlüsselfigur für eine ganze Bewegung, eine „Johannesbewegung“, die wohl zur Zeit Jesu sehr bekannt war. Sie hat auf das Innehalten und das „In-Sich-Gehen“ gedrängt, diese Johannesbewegung war für den Glauben von damals sehr wichtig. Denn: In der Wüste und in deren Erfahrungen sieht man erst die Unebenheiten seines Lebens.

Der Evangelist Markus verbindet diese Johannesbewegung sehr schön mit Jesus, also mit dem Glauben an Jesus Christus. Johannes ordnet sich Jesus unter und ordnet damit die ganze „Wüstenerfahrung“ in einen Glauben an einen begleitenden und liebenden Gott ein.

Alles, was in mir wüst und leer ist, alles, was mich austrocknen lässt, will Gott wieder beleben.

In der Wüste sucht man nach Oasen. Gott will die Oase unseres Lebens sein. Gott ist die Wasserstelle. Oder besser gesagt, er ist die Geiststelle. Denn sein Geist muss es sein, der uns wie das Wasser von innen her wieder belebt.

Ich gebe es zu, auch die Israelfahrt damals vor 10 Jahren an die Stätten des Lebens Jesus war mir ein Oasenerlebnis. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich dort für mich vieles unheimlich bereichernd erfahren. An die Stätten der Bibel zu gehen, war für mich ungeheuer belebend. Es hat mir sehr gut getan.

Liebe Mitchristen, natürlich muss keiner bis nach Israel reisen, gerade in diesen schwierigen Reisezeiten, um Oasen für sein Leben zu finden.

Ich bin mir sicher, dass wir immer Oasen finden, wo wir den belebende Geist Gottes in uns spüren dürfen. In all den Erfahrungen, die uns bereichern, in den menschlichen Begegnungen.

Amen