von Pfarrer Thomas Gruber.
Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Matthäus 5,3-12
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen.
Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel. So wurden nämlich schon vor euch die Propheten verfolgt.
Liebe Schwestern und Brüder an Allerheiligen!
Selig die Armen, selig die Barmherzigen, selig die Gewaltlosen. So lauten die berühmten Sätze aus dem Anfangsteil der Bergpredigt aus Matthäus, die wir gerade an Allerheiligen immer wieder zu Gehör bekommen.
Immer wieder bekommt man den Vorwurf zu hören, diese Sätze seien einfach zu weltfremd und damit nicht lebbar.
Unsere Zeit braucht andere Anweisungen. Selig der Fleißige, selig der Gewitzte, selig, der weiß, wie man es schlau anpackt, ja selig, der nicht immer nur barmherzig ist, denn er wird nicht ausgenutzt.
Sogar vom Christentum und Glauben geprägte Menschen wie der Sozialphilosoph Max Weber haben diesen Seligpreisungen bescheinigt, sie seien doch ziemlich utopisch. Das Ganze gelte doch eher als Ideal für ein paar wenige sehr Fromme.
Wer kann und mag das denn so leben?
Doch als weltfremd wurden diese Seligpreisungen interessanterweise in unserer Glaubensgeschichte eigentlich nie gesehen.
Gerade in alten Kirchen – ich kenne es z. B. von der St. Martinsbasilika in Landshut, wo ich vor gut 25 Jahren mein Diakonat machte – wurden die Seligpreisungen auf Spruchbändern an den Torbögen der Eingangsportale und Kirchentüren angebracht. Das waren häufig schöne große, wie aus Stuck geformte Steintafeln, die, ein bisschen unauffällig, im Eingangstorbogen hingen. Als Zeichen dafür, dass jeder, der den Raum der Kirche betritt, durch die Seligpreisungen auch geistig „hindurchgehen“ musste.
Bei Kirchenführungen in St. Martin wurde immer dazu erklärt, ein Christ habe die Seligpreisungen wie einen „inneren Schlüssel“ zu betrachten, damit er auch mit seiner Seele und nicht nur mit dem Körper den Raum Gottes, die Kirche, betrete.
Damit sich ihm „Räume eröffnen“, die größer sind als diese Welt, damit er in Dimensionen vorstößt, die zeigen, dass es Größeres gibt und es weiter geht. Ohne diesen Schlüssel würde die Seele gegen die Tür stoßen.
Heute an Allerheiligen würde ich jetzt sagen: Die Seligpreisungen öffnen uns die Tür zur Heiligkeit (zu der wir ja alle berufen sind), und bei „Heiligkeit“ meine ich nicht „übertriebenes Fromm sein“, sondern das „ganz im Vertrauen zu Gott leben“ und so ein „heil-und-gesund Sein“ zu erfahren. Heilig kommt im Deutschen von „heil, ganz sein“. Ein „ganzer“ Mensch bin ich nur mit meinem Schöpfer und Erlöser, nicht ohne ihn.
Bei Vorbereitungen zu Bibelkreisen habe ich oftmals festgestellt, dass die Seligpreisungen besser zu verstehen sind, wenn man das Alte Testament genauer liest. Jesus greift am Anfang der Bergpredigt auf schon vorhandene Seligpreisungen (die im Alten Testament „verstreut“ vorhanden sind) zurück, ergänzt sie und macht aus ihnen quasi einen „Schlüsselbund“ für das Heil(ig)sein.
Die einzelnen Seligpreisungen wirken dann gar nicht mehr so weltfremd.
Alle Seligpreisungen kommen „aus dem Leben“ und klingen dann wirklich vernünftig. Sie sind – in gewisser Hinsicht – auf ein gutes irdisches Leben bezogen.
Im Einzelnen lassen sich aus den Seligpreisungen ganz praktische Sätze formulieren:
Selig die Armen, denn bei großem Reichtum kann es leichter passieren, dass der Geiz das Herz der Menschen in Beschlag nimmt.
Selig die Barmherzigen, denn sie schaffen es leichter, nachzugeben und mit Anderen empathisch und wertschätzend umzugehen.
Selig, die ein reines Herz haben, denn sie sind potenziell dankbarer gegenüber ihren Schöpfer und damit auch widerstandsfähiger bei Schwierigkeiten.
Selig, die Frieden stiften, denn sie wissen, dass bei Streit und Krieg es zu viele Verlierer gibt.
Ja, selig auch, wer um der Gerechtigkeit willen verleumdet wird, denn da wird deutlich, dass Gerechtigkeit etwas sehr wertvolles ist und man auch darum – oftmals mit Gegenwind – ringen bzw. kämpfen muss.
Und allen wird von Jesus Hoffnung gegeben.
Wenn ein Mensch „heilig gesprochen“ wird, dann wird bei diesen Menschen erst einmal geschaut, ob die Seligpreisungen gelebt wurden. Es wird geschaut, ob sie durch diese Worte Jesu in die Gemeinschaft mit Gott hineingegangen sind und: Ob sie die Hoffnung nie verloren haben.
Auch wir zählen uns zu den Heiligen. Auch wir hoffen auf ein Ziel, das größer ist als nur „glücklich sterben“.
Die Seligpreisungen werden immer ein Schlüssel sein, der uns die Welt des Glaubens aufmacht.
Dieser Schlüssel macht uns Hoffnung, aus dieser Hoffnung heraus handeln wir!