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Gott begegnet durch Jesus den Menschen in Liebe

von Pfarrer Thomas Gruber.

Nachdem sie die Synagoge verlassen hatten, gingen sie mit Jakobus und Johannes direkt zum Haus von Simon und Andreas. Aber die Schwiegermutter Simons lag mit Fieber darnieder und man berichtet ihm sofort von ihr. Und er ging zu ihr hin, fasste sie bei der Hand und richtete sie auf. Das Fieber verließ sie sogleich und sie diente ihnen.

Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachten sie zu ihm alle Kranken und von Dämonen Besessenen. Die ganze Stadt war vor der Türe versammelt. Und er heilte viele Kranke mit verschiedenen Gebrechen und trieb viele Dämonen aus, und er ließ die Dämonen nicht sprechen, weil sie ihn kannten.

Und frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf, verließ das Haus und ging an einen einsamen Ort, und dort betete er. Simon aber und die, die mit ihm waren, eilten ihm nach.

Und als sie ihn fanden sagen sie zu ihm:
Alle suchen dich.

Und er sagt zu ihnen:
Lasst uns anderswohin gehen in die benachbarten Orte, damit ich auch dort predige, denn dazu bin ich ausgezogen.

Und er ging hin und predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die Dämonen aus.

Markus 1,29-39

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitchristen,
beim Hören und Lesen des eben vorgetragen Evangeliums kann ich nicht umhin, fast auf den Tag genau 10 Jahre zurückzudenken. Und da es jetzt am Dienstag genau 10 Jahre her ist, erlaube ich mir ein wenig, auf diese einmaligen Tage zurückzuschauen: nämlich auf eine Israelreise; sie (ökumenisch mit 80 Mitfahrern) hatte viele Höhepunkte. Ein erster für viele war ganz sicher der Gottesdienst in Kapharnaum am See Genesareth. Es war der 3. Tag unserer Reise. Zuerst fuhren wir mit einem Schiff auf den See hinaus und lauschten den Winden, die schon vor 2000 Jahren dem Sohn Gottes gehorchten. Dann betraten wir wieder das Land und kamen eben nach Kapharnaum. Früher zur Zeit Jesus war es ein großes und sehr blühendes Dorf und jetzt kann man nur noch einige Ruinen besonders die der dortigen Synagoge dort besichtigen. Einzig auffallend ist die dortige Kirche, die genau über dem „vermeintlichen“ Haus des Petrus gebaut wurde. Ähnlich einem Ufo oder einer Spinne hing der Gottesdienstraum fast in der Luft und in der Mitte befand sich ein Loch, das mit einer Glasplatte verschlossen war. So konnte man gut hinunterschauen – auf den Ort, wo Jesus ein und ausgegangen war, das Haus, wo er sicherlich oft bei Petrus wohnte. Und genau über diesem Haus feierten wir den Gottesdienst. Wobei noch besonders schön war, dass alles in saftiger Frühlingsgrüne blühte.

Und genau das Evangelium, das wir heute gehört haben, wurde damals auch gelesen. Sicherlich habe ich damals das ganze Kapitel 1 bei Markus und sogar noch Teile des 2. vorgetragen; doch am meisten blieben mir doch gerade die Worte von der Heilung der Schwiegermutter im Haus des Petrus und seine Begegnung mit so vielen Menschen in der Erinnerung: Seine Heilungen und Austreibung der Dämonen. Man sagt unter Fachleuten, dass dies die Erzählungen des „Jesuanischen Frühlings“ seien. Noch frei von den großen Theologien, – eben dass Jesus nach Jerusalem gehen musste, um am Kreuz den Sühnetod für uns zu erleiden. Noch ganz frei von all den Erwartungsprophezeiungen des ATs, die ihn als den leidenden Gottesknecht vor Augen stellen, haben wir ihn in den ersten Kapiteln noch ganz „frühlingshaft frisch“ mit seinem ersten schlichten und einfachen Auftreten vor uns. Und mir ist gerade in Israel beim Anschauen des Hauses ja der Gegend wieder so richtig bewusst geworden, dass Gott in Jesus als Mensch zu uns Menschen gekommen ist. Wie oft sind unsere/meine Vorstellungen von Jesus so verklärt – und doch war er auch ein einfacher Mensch wie du und ich. Gerade das Haus des Petrus hat diese Einsicht wieder in mir wachgerüttelt. Jesu hat dort geschlafen, gegessen, getrunken, gescherzt, gelacht, und gespielt. Und dort wurde er als Heiler und Dämonenaustreiber erfahren.

Auch da ist klar geworden, dass man auch diese Heilungsszenen nicht zu sehr „verklären“ darf. „Gott ist in Jesus den Menschen in Liebe begegnet“, so begann ich mir das dort vorzustellen. Man muss erst ganz Mensch werden, um ganz aus Liebe und damit aus der Heilung heraus zu leben. Gott ist ganzer Mensch gewesen. Gerade die Dämonenaustreibungen können das vielleicht schön demonstrieren. Bei Dämonen denken viele an Gruseliges und Angsteinflösende Filme, wie z. B. „Der Exorzist“. Aber ich glaube, wir dürfen uns hier nicht die schlimmsten Vorstellungen machen und Jesus als Zauberer „verklären“, als ob er mit vielen schaurig magischen Sprüchen die Welt verwandelt hätte.

Mir wurde in Kapharnaum wieder bewusst, dass Jesus mit einem ungeheuren Maß an menschlicher Liebe auf Menschen zugegangen ist. Sicherlich in einem außerordentlichen, eben schon göttlichem Maß, so dass, er wenn auch nicht alle, doch sehr viele heilen konnte.

Dämonen in der Welt sind die Momente ohne die Liebe in der Welt. Dämonen sind keine Gespenster aus den Gruselfilmen. Ich glaube als Dämonen kann man alles bezeichnen, wo die Liebe fehlt. Dämonen sind die Orte in der Seele, wo es an Anerkennung und Wertschätzung fehlt. Viele Menschen brennen aus oder sind völlig überfordert, nicht weil sie zu viel arbeiten, sondern weil die Zeit der Liebe fehlt und der Ertrag ihrer Arbeit keine richtige Wertschätzung mehr findet. Viele Menschen verlieren den Glauben an ein gutes Leben. Wie viele Menschen werden psychisch krank? Sie verlieren das Vertrauen und verfallen möglicherweise einer Sucht, weil ihnen in der Kindheit die Liebe der Eltern versagt blieb. Was kann man nicht alles „so gesehen“ als Dämon bezeichnen? Dort, wo der Mensch nur noch wie eine Maschine funktioniert? Wo das Geld und der Profit den Menschen ausnützt, dort wo Beziehungen nicht mehr menschlich sind, und nur noch zum Beispiel Neid auf Materielles vorherrscht?

Jesus als Mensch gibt uns die Liebe und Anerkennung Gottes, die wir zum Leben brauchen.  Er gibt sie uns dort, wo wir Menschen als Menschen etwas schuldig geblieben sind. Wir Menschen sind nicht perfekt.

Gott ist deshalb Mensch geworden. Das ist mir in Kapharnaum wirklich wieder neu bewusst geworden. Es ist die Einfachheit des Menschwerden Gottes, die mir damals vor 10 Jahren wieder Freude am Glauben und ein gestärktes Bewusstsein für Jesus als den Sohn Gottes geschenkt hat: Gott hat sein Menschsein angenommen, um uns von unseren Dämonen und Krankheiten der Lieblosigkeit zu befreien. So möchte ich schließen mit einem passenden Text von Phil Bosmans, den mir Pfarrer Höschler (damals mein „ökumenischer Begleiter“) gegeben hat. Dieser Text besagt die Einfachheit des Glaubens:

Die Liebe Gottes ist für Menschen sichtbar, greifbar und fühlbar geworden in einem menschlichen Leib, in einem menschlichen Herzen, in der Person Jesu von Nazareth. In Jesus ist der Urbeginn der Güte offenbar. In ihm hat Gott den Menschen erwählt, hat Gott den Menschen in die Mitte gestellt.

In ihm ist Gott auf die Seite der Armen, der Schwachen, der Machtlosen getreten, ist Gottes Liebe Mensch geworden. Gott ist Mensch geworden, damit die Menschen in Liebe zueinander Mensch werden.

Im Christentum glaubst du nicht an eine abstrakte Wahrheit, an eine Reihe von Lehrsätzen, sondern an jemanden, der dich gern hat. In Jesus sagt Gott den Menschen, wie gern er sie hat. Für das Christentum bist du in der Wahrheit, solange du in der Liebe bist. Es klingt seltsam, aber es ist unerhört befreiend, dass du im Christentum die Wahrheit nicht verlieren kannst durch Mangel an Wissen, sondern einzig und allein durch Mangel an Liebe.