von Pfarrer Thomas Gruber.
Einmal kam ein Aussätziger mit einer Bitte zu ihm. Er fällt vor ihm auf die Knie und sagt zu ihm:
Markus 1,40-45
„Wenn du willst, kannst du mich reinigen.“
Von Erbarmen bewegt streckte Jesus die Hand aus, berührte ihn und sagt zu ihm:
„Ich will, werde gereinigt!“
Und sofort wich der Aussatz von ihm und er wurde rein. Jesus ermahnte ihn streng, schickte ihn sogleich weg und sagt zu ihm:
„Sieh zu, dass du niemandem etwas sagst, sondern gehe hin, zeige dich dem Priester und bringe das Opfer für deine Reinigung, wie Mose es angeordnet hat, ihnen zum Zeugnis.“
Sobald er weggegangen war, fing er aber an, die Sache immer wieder zu verkünden und zu verbreiten, so dass Jesus nicht mehr öffentlich in eine Stadt hinein gehen konnte. Er hielt sich draußen an einsamen Orten auf und die Leute kamen von überall her zu ihm.
Das Evangelium von der Heilung eines Aussätzigen im Markusevangelium greift ein Thema auf, welches uns mit der „Coronazeit“ ohnehin fest im Griff hat: Diese Heilung zeigt, dass „Krankheiten“ uns und unseren Erdball immer und zu jeder Zeit beschäftigt haben und auch immer wieder beschäftigen werden. Unsere Schöpfung hat diesen Makel.
Von Knochenbrüchen über Infektionen, von körperlichen bis hin zu psychischen Leiden werden wir von Krankheiten permanent „überzogen“ (sein). Dass jemand nie in seinem Leben krank war, bleibt eher eine (absolut) sehr seltene Ausnahme.
Das heutige Evangelium von der Heilung des Aussätzigen (Markus 1,40-45) beschreibt den Aussatz, eine Hautkrankheit, als eine Krankheit, die irgendwie alle Krankheiten dieser Welt zusammenfassen kann: Der Körper ist mit Aussatz schwer getroffen. Doch auch und gerade auch die Seele ist „voll mitten drin“. Die Gesellschaft tut sich schwer mit dieser Krankheit, die Angst schwelt mit. Quarantänemaßen sind die Folge. Es finden immer Ausgrenzungen statt. Egal aus welchem Blickwinkel, ob die Gesellschaft einen ächtet oder die Vorsicht einen selbst oder den anderen schützen will. (Im Evangelium bildet hier sogar die Priesterschaft das Gesundheitsamt von damals, wenn es heißt, dass man sich den Priestern nach der Gesundung zeigen soll.)
Das Evangelium von heute beschreibt sehr gut, was Krankheiten im innersten sind und auch „anrichten“ können. Unser seelisches Leben und das Leben unserer Gemeinschaft hängen maßgeblich vom Krankheitsgeschehen ab.
Doch nun zu behaupten, unser Leben sei nur eine Krankheit – hin bis zum Tod (S. Kierkegaard) oder die Menschheit sei auch nur wie ein Virus, das unsere Planeten aussaugt (Evolutionstheorien), wäre eine falsche und sehr dunkle Sicht auf das Leben und wäre wirklich seelen- und herzlos gedacht.
Jesus stellt sich im Evangelium der Krankheit – und das tut er für uns.
Jesus will uns von Krankheit befreien. Er berührt den Kranken und befreit den Kranken von seiner Isolation. Daran darf man schon erkennen: Die Isolation ist wohl die schwerste Folge einer Krankheit, und irgendwie auch wieder die Ursache einer jeder. Gott will uns aus der Isolation befreien. Auch wenn (und gerade weil) die Isolation immer auch eine notwendige Begleiterscheinung von Krankheiten ist, berührt Jesus heute den Aussätzigen, um ihn aus einem Loch, aus einem Käfig (im seelischen Sinn) herauszuheben.
Gott ist kein Medizinmann, der uns mit Wunderkräften verzaubert. Für das Medizinische hat er uns unseren Geist gegeben. Er will mehr, er will Tieferes heilen.
Wenn wir sagen – und meinen
„So Gott! Du bist Gott und Du hast uns jetzt zu heilen, weil Du das tun musst, weil Du willst ja das Gute. Also mach schon heile mich!“
dann ist man bereits so isoliert, dass die Krankheit schon gar nicht mehr so leicht zu heilen ist – dann ist er Mensch isoliert, wie in einem Käfig der Verzweiflung – zu sehr schon in sich „eingekrümmt“.
Gott möchte uns mit Jesus so berühren, dass wir uns aus unserer inneren Isolation herausbewegen bzw. herausbewegen lassen.
„Krankheit lässt sich am besten an unserem Herzen abmessen.“ (Das habe ich mal auf einem Kalender gelesen).
Dieser Kalenderspruch kann es vieldeutig und doch tiefsinnig ausdeuten:
Das Herz ist das Zentrum unseres medizinischen Lebens, und doch bildet es auch unsere Seele ab. Unsere Krankheiten können unsere Seele verderben, aber sie können auch unsere Seele läutern, reifen lassen und so uns mit uns mehr in Verbindung bringen.
Die Erfahrung der Krankheit kann in den starken Fällen sehr bitter sein. Ja, das stimmt! Doch: Bittere Erfahrungen zeigen uns auch, wo wir stehen, wo meine Seele wirklich „daheim“ ist.
Jesus berührt den Aussätzigen und macht ihn gesund. Jesus will berühren und damit „uns mit uns in Berührung“ bringen. Er möchte uns aus dem Käfig der Isolation herausführen.
Die Heilung des Aussätzigen heute ist eine echt „starke“ Heilung im ersten Kapitel des Markusevangeliums.
Ich wiederhole diese Einsicht mit den Erkenntnissen, die ich im Studium der alten Kirchengeschichte gehört und schon öfters bei Predigten erwähnt habe.
Diese Erkenntnisse waren bzw. sind echt erhellend: Sie schauen auf die Anfänge des Christentums im Römischen Reich. Das Christentum setzte sich damals (trotz starker Verfolgung) durch und hat „die Geschichte überlebt“, ist sogar gestärkt aus der Geschichte hervorgegangen, weil sich die Christen um die Kranken gekümmert haben. Nicht, weil sie die besseren Ärzte gehabt hätten oder die besseren Medikamente. Die Christen waren im römischen Reich auf die Kranken besser eingestellt: Sie wussten, dass Krankheit Isolation bedeutet. In der Isolation darf der Mensch nicht bleiben! Sie haben die Kranken deshalb nicht allein gelassen. Es reichte schon, dass sie sie gewaschen und ihnen zu essen gegeben haben. Mit der Nächstenliebe haben sie die Menschen berührt – wie Jesus auch uns berührt – und ihnen Heilung gegeben. Die Heilung war nie für alle und nie immer flächendeckend, weil auch Jesus nie für alle und flächendeckend geheilt hat. Ja leider!
Doch Jesu Wirken in der Nächstenliebe hat eine Verbindung hergestellt. Heraus aus der Isolation – hinein in eine Hoffnung auf das Ewige Leben, das durch Kreuz und Tod in die Auferstehung hineinführt.
Amen.