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Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.

von Pfarrer Thomas Gruber.

Sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa. Er wollte aber nicht, dass jemand davon erfuhr; denn er belehrte seine Jünger und sagte zu ihnen:
Der Menschensohn wird in die Hände von Menschen ausgeliefert und sie werden ihn töten; doch drei Tagenach seinem Tod wird er auferstehen.

Aber sie verstanden das Wort nicht, fürchteten sich jedoch, ihn zu fragen.

Sie kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie:
Worüber habt ihr auf dem Weg gesprochen?

Sie schwiegen, denn sie hatten auf dem Weg miteinander darüber gesprochen, wer der Größte sei.

Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen:
Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.

Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen:
Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.

Markus 9,30-37

„Wir sind die Besten!“
So lautete einmal ein Wahlspruch einer Verkaufskette. „Wir sind die Besten“ hieß der Slogan, ja die Kampfparole, um den Mitarbeitern dieser Firma den Glauben an sich selbst und den Erfolg ihrer Arbeit einzuimpfen.

„Wir sind die Besten“
Nun, solche oder so ähnliche Sätze finden sich nicht nur in einzelnen Betrieben oder auf bestimmten Plakaten, nein, sie geben ja eigentlich auch eine Lebenseinstellung wieder.

Das Motto „Höher, weiter, schöner, besser“ ist ein Grundmuster unserer Zeit, und gerade in der letzten Zeit im Zuge der modernen technisierten Gesellschaft und der Globalisierung wird die Leistung noch gnadenloser eingefordert. Höher, weiter, schöner, schneller, besser etc. Irgendwie wird der moderne Mensch ja förmlich von diesem Zeitgeist weggespült. Bei Kindern in der frühsten Erziehung: nur die beste Marke zählt! Der Mensch in Schule, Ausbildung und Beruf: der Ellenbogen bleibt ein wichtiger Körperteil! Sogar in die Bereiche des Privaten ist dieses Denken schon eingebrochen! Wenn Partnerschaften und Beziehung immer mehr vom „schöner, reicher, attraktiver“ bestimmt werden, wird bald – drastisch gesprochen – von tieferen Werten und dem Sinn des Ganzen nicht viel übrig bleiben!

Das „Höher, weiter, schöner, besser“ bestimmt sicherlich den Lauf unseres Lebens, irgendwie schon, ja; doch wenn das Denken und das Herz in unserer Gesellschaft nur noch diese Bestimmung hat, dann hat der Mensch ganz sicherlich nicht nach seiner eigentlichen Bestimmung und vernünftig gelebt.

Heute im Evangelium aus Markus hören wir zu diesem Thema eine sehr interessante Stelle: Die Jünger unterhalten sich heimlich, wer von ihnen der Größte sei! Also wer von ihnen der Beste, Klügste, Leistungfähigste „in Sachen Glauben“ wäre! Und das für den aufmerksamen Zuhörer völlig unvermittelt, nachdem Jesus ihnen schon zum zweiten Mal sein Leiden und seinen Tod ankündigt.Warum kommt da so eine Textstelle? Was will dieses Verhalten der Jünger uns sagen?

Ich glaube: sehr viel. Die Jünger verhalten sich menschlich, vielleicht schon allzumenschlich!

Die Frage nach dem „Ich will der Beste sein!“ ist ein absolut menschlicher Gedanke. Das Evangelium legt diesen Gedanken in die Apostel hinein. Und Jesus setzt sich mit unseren allzu menschlichen Gedanken auseinander, indem er unmissverständlich mit einer Belehrung antwortet: Wer der Erste von Euch sein, will muss der Diener aller sein.

Damit stellt er unser Leistungsdenken auf den Kopf. Weil er zu jedem sagt: Wenn du der Beste sein willst, dann musst du der Letzte sein können. Er stellt eine innere Motivation vor Augen.

Darin schimmert ein tiefer Kern der Christlichen Botschaft Jesu Christi durch, den es in unserer Christlichen Gesellschaft nicht zu verlieren gilt.

Das „Jeder gibt sein Bestes“ ist schon wichtig. Doch wenn das zum „obersten Gebot“ wird, dann geht der Mensch zugrunde. Keine Mutter, kein Lehrer dient der Wahrheit, wenn die „ihnen anvertrauten“ Kinder ohne dienende Liebe nur wie „Maschinen des Erfolges“ getrimmt werden! Das würde nur passieren, wenn man sich mit den Erfolgen der Kinder profilieren möchte und entspricht eigentlich gar keiner Liebe.

Jesu Leben und Bestimmung selbst machen das unmissverständlich deutlich. Er könnte doch mit einem Fingerschnips alles verändern. Doch auch er kann nicht nach dem Motto „Höher, weiter, schöner, besser“ vorgehen. Auch er stellt sich in der Ordnung ganz hinten an und wird als „Gerechter der Ungerechtigkeit ausgeliefert“. Und damit gilt für uns Christen eine neue Ordnung: Mein Streben nach „Mehr“ und dem „Besser“muss immer verankert und geerdet sein im „Dienen“und im „Nachgeben können“Ohne die Fähigkeit des „Sich Bescheidens“ und des „Dienens“ würde alles irgendwann einmal in eiskalter Raffsucht erfrieren. Der „Dienst“ Jesu mit seinem Tod und seiner Auferstehung ist somit eine wahrhaft „warme Tür“ zu Leben!

Wer der Erste von Euch sein will, muss der Diener aller sein! So sagt er folgerichtig heute im Evangelium.

Dieses Gegenmotto in der Nachfolge Jesu ist wahrlich ein harter Kontrast zum „Wir sind die Besten!“.

Ganz konkret fällt mir da ein Gespräch mit einem Bäckermeister in einer meiner früheren Pfarreien ein, der auch als Kirchenpfleger ehrenamtlich tätig war. Er beklagte sich gegen den besorgniserregenden Trend in heutiger Zeit:

„Früher“ sagte er mir „da konnten von 10 Arbeitern im Betrieb einer oder zwei Schwächere (immer) mitarbeiten. Die wurden einfach mitgezogen. Das war „okay“. Das haben alle irgendwie mitgetragen. Aber: Heute werden die einfach wegrationalisiert!“.

Die Zeit ist da heute sicher nicht leicht: Abwägen und „Genau-schauen“ ist gefragt; doch da gilt es mehr denn je, seine Grundeinstellung zu hinterfragen: Bin ich „Diener“, oder doch nur einer der „Sklaven der Leistung“, die hart und herzlos die Besten sein wollen?

Auch die Worte der heutigen Lesung aus Jakobus (Jak 3,16ff) sind als Anleitung zu einer christlichen Nächstenliebe zu sehen: Denn dort, wo (nur) Eifersucht und Ehrgeiz herrschen, dort, wo es nur um Macht geht, da wird kein Frieden einziehen können. 

Eine Erkenntnis, die auch heute noch sehr wichtig ist.Auch im politischen Leben. Alles kommt von der Grundeinstellung Jesus und seiner erlösenden Tat an Ostern.

Amen.