von Pfarrer Thomas Gruber.
„Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Das ist der letzte Satz heute im Evangelium aus Matthäus 25, 40.
Dieser Satz ist Ausdruck innerster christlicher Haltung – die Motivation meiner Handlung ist nicht einfach nur „soziologisch“ oder „politisch“ auszudrücken und zu bemessen, sondern der Grund des guten Handelns darf für uns Christen tiefer gesehen werden: Wir sind auf die Nächstenliebe hin ausgerichtet, und diese Nächstenliebe wurzelt in der Haltung, dass wir in jedem Menschen – egal welcher Herkunft und welchen Aussehens – auch Jesus Christus, also den Sohn Gottes, sehen können.
„Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Auch dieser Satz steht in der „Endzeitrede“ bei Matthäus und drückt aus, was wirklich das Entscheidende und das Wichtigste für uns im Glauben ist.
Ein sehr populäres und sehr schönes Beispiel für diesen Satz ist der Heilige Martin.
Denn er hat diesen Satz auch gehört, als er, nachdem er seinen Mantel für einen Bettler geteilt hatte, in der Nacht in einem Traum von Gott selbst wegen der tieferen Motivation seines Handelns aufgeklärt wurde (also: Warum er denn so gehandelt hat).
Der Heilige Martin ist (ja leider) vor eineinhalb Wochen wegen der Coronakrise etwas untergegangen. Hier bei uns konnten keine Umzüge gemacht werden.
Ich weiß aus meinen früheren Pfarreien, die etwas kleiner sind, dass man sich mit Ersatzlösungen beholfen hat. Da ist zum Beispiel der Heilige Martin als Reiter allein durch das Dorf geritten und hat allen in und an den Häusern, die ihn gesehen haben, einfach zugewunken. Man wusste, dass da zu einer bestimmten Zeit ein reitender Martinsschauspieler unterwegs war.
Die Kinder wurden eingeladen, ihre Laternen rauszustellen, und die Eltern dazu angeregt, ihren Kindern wieder die Martinslegende vorzulesen.
Die Legende des geteilten Mantels ist ein Bild des ganzen Lebens des Heiligen Martin; sein „barmherziger Akt“ ist auch in der Legende nicht nur als eine „Gefühlsregung“ dargestellt, sondern der Satz „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ – im Traum danach – klärt den Soldaten Martin auf, warum er denn plötzlich Nächstenliebe hat walten lassen. Etwas, was ihn ja bis heute zu einem der beliebtesten Heiligen (besonders der Kinder) erscheinen lässt.
Martin (geb. 317 n. Chr., gest. 397 n. Chr.) war sein ganzes Leben lang ein Suchender. Als Soldatensohn war ihm eine Soldatenkarriere bestimmt, aber von Anfang an hatte er die Suche nach einem tieferen Sinn in seinem Herzen. Er machte dann auch pflichtgemäß seinen Soldatendienst, weil es nicht anderes ging, bis zu seinem 40. Lebensjahr. Dann aber stieg er um, wurde Christ, gründete eine Klostergemeinschaft, lebte Nächstenliebe und Glauben, was in einer harten römischen Gesellschaftsordnung durchaus etwas „hervorstechendes“ (also absolut nicht selbstverständlich) war. Schließlich wurde er sogar Bischof von Tours.
Und, schnell nach seinem Tod, wurde er gewissermaßen als erster „Neuer Heiliger“ verehrt. Er war dann der erste Heilige in der Kirche, der nicht mehr wegen seines Glaubens umgebracht wurde, also ein Märtyrer war. Diese Art der Heiligen, also die Märtyrer, verehrte man wegen ihres Mutes natürlich sehr; doch nach der Zeit der Christenverfolgung war es an der Zeit, auch eine „neue Art von Heiligen“ zu verehren. Nicht mehr nur die Verehrung der Märtyrer, sondern auch der „Bekenner der Nächstenliebe“ ist ein sehr wichtiger Beitrag für unser Leben. Eben weil ein Bekenner auch Mut zeigt, nämlich Mut zur Nächstenliebe. Den Mut nicht vorbeizuschauen, sondern auch zu helfen, wo Hilfe Not tut und auch darum zu wissen, dass hinter dem Ganzen ein tieferer Sinn steht. Martin war ein echter „Bekenner“ für „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Um diesen Gedanken auch zum Geschenk zu machen, haben ich Ihnen/Euch ein Bild des Heiligen Martin schon in die Bankreihe gelegt. Von einem Kindergartenkind in einfacher Weise gebastelt. Ein Bild so wie man es kennt; und doch betont und unterstreicht dieses Bild (in kindlicher Einfachheit und doch wieder in einer gewissen Genialität), was wichtig ist – im Glauben – und im Leben.
Der Heilige hat kein Schwert sondern ein Kreuz als seine Ausrüstung bei sich.
Wie oft haben wir das Schwert in unserer Hand (und in unserem Kopf), wenn wir teilen müssen? Doch eigentlich hat der Bekenner der Nächstenliebe schon längst das Schwert mit einem Kreuz getauscht. Das silberne Kreuz hier auf dem Bild wird zum Blickfang auf dem Bild. Das Schwert wird zum Kreuz:
Ein schönes Bild zum Nachdenken.
Was kann alles kaputt gehen, weil ich meine, ich müsste mit einem Schwert – ich meine es gedanklich – durch diese Welt gehen?
Wie könnte doch alles „Vertiefung“ und neuen Sinn finden, wenn ich weiß, dass das Kreuz mein Werkzeug ist? Das Kreuz steht für Glaube, Hoffnung und Liebe.
Die Nächstenliebe in ihrer reifesten Form kennt das Kreuz. Man hat auch so sein „Kreuz“ mit der Nächstenliebe, würde der Volksmund sagen.
Ich sage lieber: Erst wenn man (auch) das Kreuztragen (für den Anderen) kennt, dann erst kann man wirklich von reifer und ausgereifter Liebe sprechen.
Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.
Dieser Satz kann auch erst ganz durchdrungen werden, wenn man das Kreuz kennt.
Damit kommen wir auch zum Christkönigfest von heute.
Die wahre Königsmacht, die uns Jesus zeigt, ist nicht die Macht mit dem Schwert, sondern die Macht, das Kreuz für und mit den Anderen zu tragen und somit lieben zu lernen.