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Nachruf auf Benedikt XVI

  • Predigten
  • 7 Minuten Lesezeit

von Pfarrer Thomas Gruber.

Liebe Trauernde, eine ausgewogene Würdigung unseres verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt kann in einer Predigt nicht „untergebracht“ werden.

Benedikts Stationen sind schnell beschrieben.

Traunstein Knabenseminar, nach dem Krieg und den Kriegswirren Theologie in Freising und in München.

Nach kurzer seelsorgerischer Tätigkeit hat er sich ganz dem Theologiestudium gewidmet. Mit Arbeiten über Augustinus und Bonaventura hat er sich schon früh als kluger Kopf „am Theologenhimmel“ gezeigt. Als Professor in Freising, Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg machte er sich schon jung einen international bekannten Namen. Als sehr junger „Konzilsperitus“, also als Berater und Redenschreiber von Kardinal Frings aus Köln, hat er sogar schon Anfang der 60iger Jahre großen Einfluss auf das Konzil bewiesen/gezeigt.

Als Erzbischof von München, als Präfekt der Glaubenskongregation und schließlich als Papst war er der Kirche nicht nur als Theologe zu Diensten. 

Wer ihn persönlich gekannt hat, schätzte seine unkomplizierte persönliche Art, mit der er auch Menschen gewinnen konnte. Sicherlich hatte er auch Schwächen; doch wer hat die nicht, manches kann als unglücklich bezeichnet werden, doch bei einer so hohen Verantwortung, die er ja auch Jahrzehnte lang tragen musste, kann nicht alles perfekt laufen. Als Theologe war er unendlich bereichernd. Seine Sprache hatte eine ungeheuerliche Bestechlichkeit. Viele sagen, er sei einer der brillantesten Theologen überhaupt gewesen. Und, hinter seiner Art stand auch wieder eine gute Portion Bescheidenheit. Diese Bescheidenheit und (doch) sein Weitblick haben ihm auch vor fast 10 Jahren den Schritt wagen lassen, vom Papstamt zurückzutreten. Dieser Schritt hat ihm letztendlich einen endgültigen Platz in der Weltgeschichte gegeben.

Seine Stärke war die Theologie, zum Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie war er geboren und prädestiniert. Das war sein Charisma. Mittlerweile gibt es schon sehr viele Werke über ihn, die versuchen wesentliche Züge seiner Theologie zusammenzufassen. Man müsste sich jetzt relativ viel Zeit nehmen, um den Schatz seines Nachdenkens und Forschens in ausgewogener Weise ins Wort zu bringen. Viele Predigtreihen bräuchte es, seine Theologie in gerechter Weise einfangen.

Wenn ich jetzt versuche, noch Kernpunkte seiner Theologie anzusprechen, wird das wohl jetzt nur sehr bruchstückhaft – um nicht zusagen ungenügend – gelingen. Viele haben vieles von ihm gelesen und viele Zitate von ihm stehen in mittlerweile unzähligen Büchern.

Wenn es etwas gibt, das ihn vielleicht noch „auf den Punkt“ bringen könnte, ist es das Kernthema DER LIEBE. Als Papst hat er seinen ersten Brief an die Weltkirche (seine erste ENZYKLIKA) diesem Thema gewidmet. Und das bedeutet, die LIEBE war ihm sicherlich das „erste Anliegen“, das ihn stets beschäftigt hat. Ich finde, er hat es auch immer wieder spannend aufgebaut, wenn er von der Liebe geschrieben hat. Für ihn ist die Liebe nichts nebensächliches und nur gefühlsmäßiges gewesen. 

Die Liebe ist die Grundmacht des Christentums. Und die Liebe ist auch die Triefkraft in das Ewige Leben hinein. Stärker als der Tod ist die Liebe. Dieser bekannte Satz aus dem Hohelied der Liebe im AT war für ihn nie nur eine einfache weltliche Brautdichtung, sondern immer auch Beschreibung der liebenden Macht Gottes in dieser Welt, die alle Grenzen des Irdischen aufbricht.

Ganz allgemein und grob gesagt, hat er immer wieder und gerne die Liebe mit den zwei Begriffen „EROS“ und „AGAPE“ also mit den zwei griechischen Wörtern zu beschreiben (bzw. einzufangen) versucht.

Der Eros (das Wort „Erotik“ kommt davon her) ist die begehrende Liebe, die etwas selbstsüchtig und eifrig den anderen will, und zwar einmalig, ja nahezu ewig. Die Agape ist die sich hingebende Liebe, die sich auch aufopfern kann, damit man den anderen ihre Liebe zeigt. Sie will in ihrer Fürsorge ganz beim anderen sein. Die Liebe als Eros ist mehr in der griechischen Philosophie zuhause und in ihr mehr beschrieben. Die Agape als Liebe gehört in das biblische Schrifttum. Die Bibel handelt fast nur von dieser sich hingebende und sich aufopfernden Liebe.

Wie oft hat Benedikt dazu geschrieben, dass beide Arten (also Eros und Agape) zu einer Liebe hier auf Erden gehören. Sicherlich gibt es einen gewissen Vorrang der Agape, also der biblischen Liebe. Doch der Theologe Ratzinger stellt da fest, dass es immer Überbetonungen gegeben hat und auch immer noch gibt. Wie oft hat man eine Seite der Liebe also entweder den Eros oder die Agape überbetont und damit das andere ausgeschlossen. Viele wissen, dass gerade der Eros von der Kirche (genauer gesagt: oftmals in kirchlichen Kreisen) ausgeschlossen wurde, die „Erotische Seite“; die eher körperliche Liebe ist in dieser Sichtweise dann nur noch „vom Teufel“. Ein Laster wurde die „erotische und begehrende“ Seite der Liebe, wie es F. Nietzsche einmal schrieb.

Benedikt sieht für eine echte Liebe, die nicht weltfremd ist, auch die erotische Liebe in der wahren Liebe miteingeschlossen. Das Begehren und die Ausschließlichkeit, das Suchen und das immer Dranbleiben sind die Eigenschaften dieser Art der Liebe. Die erotische Liebe wurde oft verteufelt, weil sie natürlich ihre Gefahren birgt, wenn sie zu sehr absolut gesetzt wird. Die für sich absolut gesetzte Erotik hat zu Missbräuchen geführt. Der Mensch wird da entwürdigt. Wenn es nur noch die mehr körperliche und rein erotische Liebe gibt, machte es den Menschen nur noch zur Ware und zum Objekt seiner Triebe, was dem Glück nicht mehr dient, sondern nur noch der Würdelosigkeit und „Abnutzung“. Die Liebe braucht und lebt auch vor allem aus der Agape, was mehr die geistliche Seite der Liebe anspricht. Sie verspricht Hingabe, Zuverlässigkeit und Treue. Die Agape ist die Liebe, die sich zum anderen auch „hinabbeugt“.

Papst Benedikt hat immer die Wichtigkeit der sich herablassenden Liebe betont. Die Liebe als Agape ist in der Bibel deshalb so wichtig, weil ja Gott als die Liebe selbst zuerst einmal zum Menschen „herunter“ gekommen ist. Seine Schöpfung wurde aus Liebe erschaffen und durch Jesus erneuert. Diese Liebe ist das „Stahlgerüst“ allen Seins. Gottes Herabkommen ist der Auslöser allen Seins. Diese Liebe ist eine sich hingebende, und doch zugleich sucht sie uns und „will uns“ – mit der Kraft der Ewigkeit.

Diese Liebe wurde von Josef Ratzinger immer als eine „durchbrechende Kraft“ gesehen. Sie durchbricht die Mauer dieser sichtbaren, biologischen, physikalischen und berechenbaren Welt. Sie ist von oben in diese Welt eingedrungen und sie wird uns auch wieder herausführen, dorthin wo Beständigkeit, Ewigkeit und Göttlichkeit zuhause sind. Hier in dieser Welt ist sie nicht fassbar, eben weil, diese Liebe – so Papst Benedikt – nicht ganz fassbar ist.

Auch die Bibel redet vom Auferstandenen als den schon aus dieser irdischen Welt ein wenig „Herausgetretenen“. Als einen, der schon eine neue Welt mit seiner Liebe hat anbrechen lassen. (Er selbst schreibt dazu in „Das Wesen des Christentums“ S. 254: Es versteht sich von da aus von selber, dass das Leben des Auferstandenen nicht wieder „Bios“, die biologische Form unseres innergeschichtlichen Todeslebens ist, sondern „Zoe“, neues anderes, endgültiges Leben; Leben, das den Todesraum der Bios-Geschichte überschritten hat, der hier durch eine größere Macht überstiegen worden ist).

Stärker als der Tod ist die Liebe, mit diesem Satz aus dem Hohelied der Liebe im AT kommt diese starke Dimension für ihn gut zum Ausdruck; denn er sagt deutlich, dass die Liebe diese weltüberschreitende Macht ist, die uns Gottes Kraft und Stärke nahebringt. In dieser Macht ist jetzt auch Benedikt XVI gestorben. Man erzählt sich schon jetzt, dass seine letzten Worte auf dem Sterbebett gewesen sind: „Ich liebe Dich, Jesus“.

Diese Liebe hat auch ihn jetzt die Mauer des Todes durchbrechen lassen und ihn, unseren ehemaligen Heiligen Vater, heimgeführt in das Ewige Reich bei ihm.

Amen.