von Pfarrer Thomas Gruber.
Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat. Denn darin besteht das Gericht: Das Licht kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.
Johannes 3,14-21
Wie wird es im Himmel sein? Was wird Gott mit uns machen, wenn wir am Tag unseres Todes, also am Tag unseres „persönlichen Jüngsten Gerichtes“, den Schritt in die Ewigkeit machen? Jetzt, drei Wochen vor unserem wichtigsten Fest des Jahres, dem Osterfest, darf diese Frage – zugegebenermaßen sehr direkt – auch wieder mal gestellt sein.
An Ostern feiern wir ja unsere Auferstehung, das zentrale Glaubensgeheimnis. Da darf man schon auch mal wieder darüber nachdenken, wie es am Ende (beim „Endgericht“) sein wird.
Wie wird der „Himmel da oben“ sein – und wie können wir uns darauf vorbereiten? Wie kann man das sich vorstellen?
Beim Ausdruck „Gericht“ schwingt sicherlich ein wenig Angst mit. In den Predigten des Mittelalters war das Wort „Gericht“ immer auch ein (sehr) einschüchternder Ausdruck und wurde auch (zu) oft zur Angstmache missbraucht.
Sich das „Gericht Gottes“ vorzustellen – das geht nur in Bildern. Ein sehr wichtiges – zu Recht gerücktes Bild dazu – liefert uns Jesus heute im Evangelium, das wir gerade gehört haben:
Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern dass sie durch ihn gerettet wird.
Johannes 3,17
Gottes Gerechtigkeit besteht aus Liebe und Rettung. Sicherlich bleibt Jesus irgendwie schon auch Richter, wie es schon wieder zwei Verse im Johannesevangelium weiter und dann natürlich Glaubensbekenntnis gesagt wird (… zu richten die Lebenden und die Toten). Doch „Richten“ ist da eher verstanden als ein „Zurückbiegen / Neuausrichten“, weil wir uns in dieser Welt eher „verbiegen“ müssen, um der Welt zu gefallen.
Jesus erklärt dies selber auch mit einem Bild, um das Ziel seiner Sendung deutlich zu machen:
Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.
Johannes 3,14ff
Dieses Bild muss man erklären, es hat einen Hintergrund in Numeri 21,4-9: Da geht es um das Volk Israel, das in der Wüste auf dem Weg in das Gelobte Land war; doch einige verließen den rechten Weg, sie sündigten, es kamen Schlangen und bissen sie, so dass sie sterben mussten. Mose bekam von Gott den Auftrag, sie zu retten, indem er eine eiserne Schlange auf einen Stock hängte. Wer sie anschaute, überlebte. D.h. die Schlange war Symbol des „Eigenen Fehltritts / Abkommens vom Weg“. Die beißende Schlage wird zum sichtbaren Gewissensbiss, der angeschaut werden musste. Wer sie anschauen konnte, dem wurde verziehen.
Jesus steigert dieses Bild noch heute im Evangelium. Er selbst „vergleicht“ sich mit dieser Schlange, das heißt, sein Tod am Kreuz ist die Summe aller „Fehltritte aller Menschen“. Es ist der sichtbare Gewissensbiss der ganzen Welt gegenüber Gott selbst. Er will, dass wir ihn anschauen, damit uns allen von Gott Vergebung zukommt bzw. zukommen kann.
Diese etwas komplizierte Geschichte hat eine einfache Botschaft:
Das Gericht Gottes ist ehrliches Anschauen meines Lebens gerade mit all meinen „Fehltritten“.
Denn, wenn ich mein Leben ehrlich und offen anschaue, dann schaut Gott mich mit Liebe ebenso an. So wie ich mich anschaue, schaut Gott mich mit Liebe dann an. Verstehen kann ich das, wenn ich mir vorstelle, wie das bei Kindern ist: Ein Kind hat etwas angestellt. Die Mutter schaut das Kind – es muss überhaupt nicht drohend sein – an, und das Kind wird unsicher, es schämt sich. Die Ehrlichkeit bricht durch. Manche „durchtriebene“ Kinder können es vielleicht überspielen und verbergen, aber ganz schafft es keiner. Die Ehrlichkeit kommt immer wieder durch. Man macht die Erfahrung, je mehr Liebe im Blick, desto mehr Ehrlichkeit geschieht.
Gott ist natürlich mehr als nur ein menschlicher Blick, er wird einen jeden – so sagt Jesus – mit seiner Liebe anschauen, ganz sicher irgendwann einmal und doch auch schon jetzt: „Liebst Du mich?“, wird er fragen, wie er den Petrus dreimal gefragt hat – nach der Auferstehung, und Petrus sich sicherlich an seine dreimalige Verleumdung beim Hahnenschrei erinnert fühlte. Das ist für Jesus also „Heute das Gericht“
Liebe Schwestern und Brüder!
Ein ganz praktisches Beispiel, sich von der Liebe Gottes anschauen zu lassen, ist für uns die Beichte. Sicher, Ich weiß, ein Reizthema. Manche haben vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht und sind verunsichert; doch allzu leicht schiebt man eine solche Möglichkeit, sich anschauen zu lassen, von sich weg.
Es stimmt schon, sagte mir einmal nach der Beichte eine Frau, die nach langem wieder mal war:
Man sucht so viele Gründe sich nicht anschauen (lassen) zu müssen. Doch wenn man echt mal ehrlich ist: Das sich anschauen lassen ist der beste Weg zu sich selbst. Die Beichte will dem Menschen nicht ein zusätzlich schlechtes Gewissen einreden, sondern nur das „sich Anschauen lassen“ Gottes einüben. Es lohnt sich auch wenn es unangenehm ist. Aber deshalb macht man es ja gerade.
Liebe Schwestern und Brüder,
wie wird es einmal sein, dieses Gericht Gottes? Gott will uns in Liebe anschauen, er will unseren Mut, sich anschauen zu lassen. So kann es Himmel werden! Gott will uns in Liebe „zurechtbiegen“, „ausbiegen“. Er will uns eine innere Neuausrichtung geben. Schon jetzt, nicht erst am Jüngsten Tag, leben wir von dieser „ausgerichteten Haltung“. Schon jetzt will uns Gott „himmelfähig“ machen.
Lassen Sie mich mit einer Geschichte enden, die es veranschaulichen kann, was es heißt nach dem Gericht den Himmel zu sehen.
Ein Mann wollte Himmel und Hölle sehen, und Gott gab diesem Mann die Möglichkeit in beides – in Himmel und Hölle – einen Blick werfen zu dürfen: Zum Erstaunen des Mannes waren der Himmel und die Hölle auf den ersten Blick total gleich, immer saßen alle an einem schönen großen Tisch um einen großen Topf herum mit einer köstlichen Suppe darin. Doch bei genauerem Hinschauen merkte man den gravierenden Unterschied.
In der Hölle saßen die Menschen abgemagert und auch sehr aggressiv um diesen Topf herum. Alle hatten einen sehr langen Löffel an ihre Hand gebunden, mit dem sie die Suppe hätte löffeln können, aber da der Löffel zu lang war, konnten sie ihn nicht in ihren Mund führen. Das machte sie streitsüchtig, denn keiner konnte den Löffel in seinen Mund führen, jeder litt Hunger und so schlugen sie sich dabei in ihrem Egoismus sogar noch gegenseitig die Löffel um die Ohren.
Im Himmel ein gleiches und doch völlig anderes Bild. Allen waren zwar auch die zu langen Löffel an die Hand gebunden; doch dort führten sie sich mit Liebe und Gelassenheit gegenseitig den Löffel zum Mund, jeder ernährte mit Aufmerksamkeit den anderen, dass nichts zu Boden fällt, so wurden alle in Frieden satt und alle waren glücklich und wohl genährt.
Der Himmel ist die Haltung der Ausgerichtetheit auf Gott hin. So mag der Himmel sein, den Jesus für uns so „ausrichtet“ bzw. „einrichtet“.
Amen.