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Laetare – Freue dich, du Christenheit

von Pfarrer Thomas Gruber.

Jesus sagte zu Nicodemus:
Und niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn. Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat. Denn darin besteht das Gericht: Das Licht kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.

Johannes 3,13-21

Diese Stelle im Johannes-Evangelium ist etwas besonderes. Sie ist keine Geschichte, keine Wundererzählung, keine Begebenheit oder ein Streitgespräch mit Gleichnis oder ähnliches. Dieses Mal haben wir ein tiefes Gespräch vor uns. Das Gespräch Jesu mit einen, der gerne den Dingen auf den Grund gehen möchte. Das Nicodemusgespräch. Das bekannte Zitat „Der Geist weht, wo er will“ stammt aus diesem Gespräch am Anfang des 3. Kapitels in diesem Evangeliums. Diese Stelle ist eine philosophische. Das bedeutet hier nicht lebensferne Theorie, sondern lebensrelevante Praxis – im Grundsätzlichen.

Drei Sätze bzw. Dinge seien dabei herausgehoben und erklärt:

  1. Jesus sagt:
    “Und niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn.“

    In der Lebenskunde von damals war der Mensch immer danach bestrebt, Gott und seinen Willen zu suchen und zu finden. Das Überirdische und damit den Sinn seines Lebens im Letzten zu suchen, ist auch heute einem tiefer denkenden Menschen wichtig.

    In der Lebenskunde des alten Griechenlands musste der Mensch sich vom Irdischen verabschieden, er hatte zu versuchen, die materielle Welt stufenweise zu überschreiten, um so dem einen und wahren Gottesprinzip nahezukommen (siehe im Platonismus). Doch viele Menschen scheiterten. 

    Gerade der Versuch, sich von den irdischen Leidenschaften loszusagen und so in „Ethik und Moral“ ein vollkommenes Leben zu führen (siehe im Stoizismus) war sehr schwer für die Menschen, die oft an ihrem eigenen Unvermögen verzweifelten. 

    Jesus sagt: Nicht wir müssen uns nach oben kämpfen – durch Meditation und schier uneinlösbare Übungsaufgaben. Zuerst kommt Gott zu uns. ER geht in seine Schöpfung zuerst hinein. Er will von sich aus uns nahe sein. Dort, wo wir gerade sind, will er uns seine Nähe und damit sein Liebe zeigten. Gott umarmt uns zunächst durch die Wirklichkeit (Willi Lampert), damit wir fähig werden, uns auf ihn hin zu wenden. Keiner muss lernen, z. B. schmerzfrei über glühende Kohlen zu laufen, um dem Willen Gottes nahe zu sein. In unseren Freuden und Leiden ist er uns nahe. Dann erst haben wir diese innere Kraft, ihn zu suchen und dann auch eine Ahnung von ihm zu bekommen. Das hat viel mit innerer Freude zu tun.

  2. Jesus spricht von der Schlange des Mose in der Wüste. Damit soll gesagt sein, dass wir dann mit Gott in Verbindung kommen, wenn wir uns von ihm unsere Fehler und Unzulänglichkeiten anschauen – und in Liebe verzeihen – lassen. 

    Die Geschichte spielt nämlich auf ein wichtiges Ereignis beim Wüstenzug des Volkes Israels aus Ägypten an. Damals haben sich die Menschen von Gott entfernt. Sie haben gesündigt, haben böse Dinge getan. Da kamen Schlangen, bissen die Sünder und diese starben. Erst als Mose eine Schlange aus Kupfer machte, sie auf einer Stange oben festband und die sündigen Israeliten zu dieser Schlange aufblicken, wurden sie gerettet und damit geheilt. 

    Jesus zeigt sich in dieser Geschichte selber als der von oben herab gekommene Gottessohn. Die Menschen müssen ihn anschauen, um gerettet zu werden. Wenn der Mensch seine Sünde und „Übertretung“ anschaut, dann hat er Gewissensbisse, so wie die Schlangen die schlechten Israeliten bissen. Jesus ist der größte Gewissensbiss und damit in der Kupferschlange symbolisiert. Mit der Kreuzigung des Gottessohnes hat die Menschheit wohl ihr größtes Vergehen begangen. Dieser Biss ist gewaltig. Wer mag ihn anschauen. Doch nur durch das Anschauen meiner Fehler und Unzulänglichkeiten kann ich zu mir selber vorstoßen und mir helfen lassen.

    Keiner gibt gerne Fehler zu, schon gar nicht Schlechtigkeiten und wenn, dann will er sie eher überspielen, verharmlosen. Man sucht Ausreden und verdreht die Wahrheit. Doch Heilung geschieht dadurch nicht. Erst im ehrlichen Anschauen meiner Fehler liegt Gottes Kraft, mir zu vergeben. ER ist da und vergibt in seiner Barmherzigkeit. Das Leben ist nicht „verbissen“, sondern voll von dieser Freude.

  3. „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“

    Das ist ein Schlüsselsatz. Das Leben wird durch Gottes (so verstandene) Nähe getragen und nicht verurteilt. Jesus zeigt uns einen Gott, der nicht wie ein vermeintlich unmenschlicher Oberlehrer dauernd Proben schreibt und schlechte Noten gibt. Jesus zeigt uns keinen Gott, der uns überwacht und unendlich viel Druck auf uns ausübt, damit wir Leistung bringen. Gott will uns nicht frustrieren, weil wir ihm gegenüber so klein und unvollkommen sind. Die Gebote und unsere Moral sind wichtig; doch er verlangt sie nicht wie in einem Terrorstaat nach dem Motto „Big Brother is watching you!“. So will Gott uns nicht. 

    Wir lernen die Gebote Gottes aus einem Getragen sein – und nicht aus einem ängstlichen Beobachtetwerden heraus. Nur so finden wir den  Sinn des Lebens – als seine geliebte Kinder. 

    Dort, wo Gott nur als der dauernd bestrafende Kontrolleur gesehen wird, wird er auch missbraucht. Oft wurden Gott und der Glaube als manipulierendes Machtinstrument angewandt. Sicherlich kann der Glaube als Regulativ in der Gesellschaft wirken; doch wo er nur noch so wirkt, verkümmert er derartig, dass man ihn nur noch bekämpfen kann. Viele haben ihren Glauben verloren und begonnen, den Gott der Christen zu bekämpfen, wo er nur noch der Oberkontrolleur gesehen und lehrt wurde. Friedrich Nitzsche gilt als einer der prominentesten Atheisten. Doch in Wirklichkeit war er ein großer Gottsucher. Er hatte es unendlich statt, nur von Gott niedergedrückt zu werden. „Ach, erlöster müssten die Christen ausschauen, dann könnte ich eher an ihn glauben“ lautet sein so oft zitierter Satz. Und damit trifft er eine große Lebensweisheit: Gott trägt und hält und schaut mit einem liebenden Auge auf seine Kinder. So animiert er sie, zu dem zu werden, zu dem er uns geschaffen hat, sein Ebenbild. Das ist wahrlich ein Grund zu großer innerer Freude, die tiefer nicht sein kann.

LAETARE – Freue dich, du Christenheit! Amen.