von Pfarrer Thomas Gruber.
Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!
Philipper 4,4-7
Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren.
Vor zehn Tagen wurde unsere langjährige Kanzlerin Angela Merkel bei einem großen Zapfenstreich im Innenhof des Verteidigungsmisteriums verabschiedet. Die letzten Worte der scheidenden Kanzlerin kamen sehr gut in den Medien an: „Es ist diese Fröhlichkeit im Herzen, die ich uns allen und in einem übertragenen Sinn auch unserer Nation für die Zukunft wünschen möchte“.
Nicht die Zukunftssorgen oder ein Jammern über Fehler der Vergangenheit, sondern die (innere) „Fröhlichkeit“ wurde von unserer nach 16 Jahren scheidenden ersten weiblichen Regierungschefin als Vermächtnis ausgegeben, ein Vermächtnis, das auch von ihrer kirchlichen Prägung als evangelische Pfarrerstochter zeugt.
Innere Freude und damit auch eine fundamentale Fröhlichkeit sind heute auch das Tagesthema an diesem 3. Adventssonntag: „Gaudete“ heißt dieser Sonntag deshalb. Diese Freude heute hat seinen biblischen Ursprung im „Freuet Euch“ der Lesung aus dem Philipperbrief. Es wird gleich von Anfang an klargestellt, dass eine innere Lebensfreude das „A und O“ einer gesunden Seele und einer intakten Gemeinschaft ist. Die Freude (erst) ist Grundlage von Gesundheit und Frieden. Der Glaube ist für die Lebensfreude zuständig. Es geht im Glauben nicht darum, sich einem Gott zu unterwerfen, einer höheren Macht gefällig zu sein und für diese höhere Macht Leistung zu erbringen. (Innere) „Freude“ ist das Zentrum unseres Daseins. Das ist Gott gewollt und Gott gegeben. „Die Christen müssten erlöster und freudiger ausschauen, damit ich glauben könnte, dass es einen wahren Gott gibt“. sagte schon Friedrich Nietzsche als (seinen) Beleg dafür, dass (erst) die Erlösungsfreude den echten Glauben an Gott hervorbringt – und nicht das ängstliche Aufrechterhalten einer moralischen Ordnung. Und Augustinus sagt auch: „Die Freude ernährt die Seele.“
Klar muss man „Freude in der Welt“ auch kritisch anschauen: Freude kann nämlich in eine Oberflächlichkeit hineinmünden. Das „Gaudi-machen“, um seine eigene Traurigkeit nicht anschauen zu müssen, ist bei der „Gott gewollten Lebensfreude“ nicht gemeint. Da gibt es die größten Spaßmacher, die unter den schwersten Depressionen leiden. Der stille Beobachter erkennt schnell, dass die Freude in der Masse auch manipulieren kann. Hochstimmung z.B. bei Rockkonzerten oder in rauschender Musik mag vielleicht ganz schön sein; doch ob es wirklich mein „Ich“ zu meinem wahren „Ich“ befreit, ist da sehr fraglich. Schadensfreude z. B. geht bekanntlich nicht über einen trügerischen Egoismus hinaus. Die Freude kann „Fassade“ sein. Freundliche Gesichter, nur um seinen Willen durchzusetzen, sind „falsche“ Gesichter, sagt die gesunde Lebenserfahrung.
Die Freude ist (aber) ein tieferes Ereignis und will nicht Manipulation sein. Es geht dabei nicht um ein nur gezeigtes Gefühl, auch wenn es die Gefühle für die Freude ab und zu auch braucht. Es ist eine unvergängliche Freude in der „Brunnenstube“ unseres Herzens, die das wahre „Ich“ in uns hervorbringt. In der Tiefe der Seele liegt etwas, das sich freut, weil man einfach etwas in sich trägt, das völlig unabhängig ist – sicherlich von außen beeinflusst und doch „in sich stehend“, weil dieser Kern den Satz in sich trägt: „Du bist von Gott geliebt“. Oft ist es eine stille Nähe Gottes, die trägt und Freude hervorbringt.
Der Apostel Paulus schreibt aus einer interessanten Situation heraus heute seine hoch gläubigen „Freuet Euch“- Worte: Aus der Gefangenschaft heraus, sogar die Hinrichtung vor Augen; doch den Herrn an seiner Seite lässt ihn „freudig“ in die Zukunft sehen. Der Advent will auch diese Nähe Gottes in uns „freilegen“. Das Evangelium lässt Johannes den Täufer auch wie einen „Trompeter des Messias“ vor Augen treten. Johannes weist auf diese Nähe Gottes hin. Damit ist die Freude nicht ein weltfremdes – alle Probleme übersehendes – „Ausflippen vor Freude“, sondern eine sehr vernünftige Lebenseinstellung. Echte Freude bringt Taten der Liebe hervor, die sehr offen und vernünftig mit der Welt umgehen. Die echten Freuden umarmen nicht einfach nur „hyperemotional“, sondern haben ein Herz für die Situation. Helmut Kohl, der vor 23 Jahren – auch nach 16 Jahren Kanzlerschaft – seinen Abschied bei einem Zapfenstreich“ gab, wünschte sich damals: „Freude schöner Götterfunke, Tochter aus Elysium. Wir betreten feuertrunken Himmlische, dein Heiligthum“ (Friedrich Schiller, vertont in Beethovens 9. Symphonie). Als großer Europäer war er auch der Freude verpflichtet, die Ausdruck von Motivation und Lebenskraft ist. Ein Göttliches Geschenk!
Auch in einer seiner letzten „SMS Botschaften“ – an mich persönlich – hat unser verstorbener Bürgermeister Harald Reents in einem Gruß neben der Gesundheit und Liebe die Freude als die oberste Stelle gestellt. Ich sehe es auch als ein Vermächtnis. Heute (am 12.12.), wo wir auf seinen Geburtstag und auf den übermorgigen ersten Jahrestag seines Todes schauen.