von Gemeindereferent Anton Huber.
Vor drei Tagen haben wir Christi Himmelfahrt gefeiert, der auferstandene Jesus hat die Welt verlassen. Er wurde vor den Augen seiner Apostel von einer Wolke aufgenommen und „entzog ihn ihren Blicken“ (Apg 1,9), so haben wir in der Lesung gehört. Jesus war weg, seinen Freunden hat er das Kommen des Heiligen Geistes versprochen, aber der hat noch auf sich warten lassen.
Eine schwierige Zeit für die verunsicherten Jünger, fast könnte man sagen, eine Gott-lose Zeit. Zwar haben sie von Jesus einen klaren Auftrag erhalten, nämlich in der ganzen Welt Zeugen seiner Botschaft vom Reich Gottes zu sein. Stattdessen haben die Jünger sich in ihrer Verlassenheit erst einmal zurück gezogen:
Als sie in die Stadt kamen,
Apostelgeschichte 1,13
gingen sie in das Obergemach hinauf,
wo sie nun ständig blieben…
Das erinnert mich an die Quarantänesituation in unserer Zeit.
Vieles, was uns als Glaubensgemeinschaft wichtig und wesentlich war, ist in der momentanen Pandemiekrise verboten oder auf dem Prüfstand: Aufeinander zugehen, einander begegnen, gemeinsames Feiern, das Singen in der Kirche. Heute hätten unsere Erstkommunionkinder hier zum ersten Mal den Leib Christi empfangen. Jetzt müssen sie lernen, mit dem Spagat umzugehen, dass mit dem Leib Christi nicht nur Heil und Segen verbunden ist, sondern auch gefährliche Viren übertragen werden können. Eine schwierige Zeit, die nicht nur die Menschen verunsichert, die noch einen Halt im Glauben suchen. Viele Erwachsene meiden nach dem Anlegen des Mund- Nase-Schutzes auch jeglichen Blickkontakt, als ob ein visueller Kontakt schon ansteckend sein könnte. Selbst in der Zeit der schlimmsten Christenverfolgung haben sich die Christen nicht so sehr davon abhalten lassen, gemeinsam Gottesdienst zu feiern, wie in den letzten zwei Monaten.
Dass hier unser Weltbild auf den Kopf gestellt wird, das zeigt auch ein Werbespruch, den ich in letzter Zeit immer wieder aus dem Radio gehört habe: „Rette die Welt – halte dich fern von anderen Menschen!“
Vielleicht ein Appell an uns, uns wieder ins „Obergemach“ zurück zu ziehen? Die Jünger haben diese Zeit des Rückzugs gebraucht, um das Erlebte erst einmal zu verarbeiten. Ihr Messias, der Erlösung und Heil bringen sollte, ist als Verbrecher hingerichtet worden. Dann die Erfahrung von Ostern, die alles bisher Erlebte auf den Kopf stellt. – Und jetzt sind sie wieder sich selbst überlassen.
Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet,
Apostelgeschichte 1,14
zusammen mit den Frauen
und Maria, der Mutter Jesu,
und seinen Brüdern.
Im gemeinsamen Gebet reift die Erkenntnis: Auch in dieser Übergangszeit ist Gott da. Jesus ist der Weg Gottes zum Menschen und der Weg, auf dem die Menschen zu Gott kommen. Das immer wieder gestörte Verhältnis von Gott und Mensch wurde in Jesus überbrückt, und die neue Schöpfung nimmt ihren Anfang. So beginnen die Jünger, sich zu besinnen, was Jesus ihnen aufgetragen hat, Schöpfung neu zu denken im Sinne Jesu. Diese neue Schöpfung hat mit der Auferstehung begonnen und sie setzt sich durch das Wirken seiner Anhänger unaufhaltsam fort.
Auch uns ist durch die Coronakrise eine „Zeit im Obergemach“ aufgezwungen. Auch wir sollten diese Zeit nutzen durch die Unterbrechung unserer Gewohnheiten und Sicherheiten, um zu schauen, wo und wie wir an Gottes neuer Schöpfung mitwirken können. Alle Christen sind dazu aufgefordert. Jeder kann an seinem Platz, dort, wo er steht, Zeugnis von seinem Glauben geben in Wort und in Tat.
Manchmal glaube ich, dass uns der Mut fehlt, von dem zu reden, woraus wir leben. Manchmal schauen wir nur nach oben, wie die Jünger bei der Himmelfahrt. Da brauchen wir die Aufforderung, zu den Menschen zu gehen und ihnen von unserem Glauben, unseren Erfahrungen zu erzählen.
Dort, wo wir uns bemühen, Jesu Worte und Jesu Taten zu leben, wo wir Frieden stiften, wo wir einander vergeben, wo wir uns für Mitmenschen einsetzen, wo wir einander annehmen, wo wir hoffen wider alle Hoffnungslosigkeit, dort kann ich Jesus erfahren, dort kann ich anderen erfahrbar machen: Jesus lebt, er ist da, auf eine neuen Weise. Wo ich von ihm Zeugnis gebe, wo ich von ihm spreche, weil er mein Leben erfüllt, dort zeige ich meinen Mitmenschen: Jesus lebt. Dort, wo ich versuche, christliche Werte zu leben und das in Gemeinschaft mit anderen, dort ist Jesus in der Mitte. Lassen wir das andere erfahren, schauen wir nicht nur nach oben, sondern geben wir Zeugnis von unserem Glauben, von unseren Erfahrungen im Glauben und von unserer Hoffnung. Denn wir dürfen ihn beim Wort nehmen, wenn er uns sagt, dass er bei uns ist.