von Pfarrer Thomas Gruber.
Jesus verließ das Gebiet von Tyrus wieder und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis. Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen.
Markus 7,31-37
Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm:
Effata!, das heißt: Öffne dich!
Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden.
Jesus verbot ihnen, jemandem davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr verkündeten sie es. Sie staunten über alle Maßen und sagten: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.
„Sich austauschen“, „im Gespräch bleiben“, „die Kommunikation nicht vernachlässigen“
Diese Themen bestimmen unser Leben. Viele Reden, die gehalten werden, drehen sich um diese Schlagworte.
Doch sind wir uns auch bewusst, wie wichtig das Hören- und Redenkönnen überhaupt ist?
Das heutige Wunder im 7. Kapitel (Vers 31-37) des Markusevangeliums kann an Bedeutung und Wichtigkeit kaum überschätzt werden.
Jesus heilt heute einen Taubstummen mit dem Ruf und Ausspruch „Effata“. Schon allein deshalb, dass hier ein Wort in der Originalsprache Aramäisch in der deutschen Bibelübersetzung steht, drückt die außerordentliche Besonderheit dieser Heilung aus. Für die „Alten“ war Jesu Muttersprache Aramäisch die Sprache der Engel. Und damit hat dieses Wunder auch seinen Stellenwert:
Das Hören und Sprechen ist nicht selbstverständlich!
Wir sehen es vielleicht im Alltag für zu gewöhnlich an. Doch die Kommunikation (so der Fachausdruck) ist alles andere als selbstverständlich. Er ist ein großer wunderbarer Schatz, von dem die Politik im Großen und die Familien im Kleinen leben wie vom täglichen Brot.Das heutige Evangelium ist eingebettet in die Brotvermehrungserzählungen, als wollte diese Stelle klar andeuten, wie wichtig der Austausch unserer Worte ist. Wenn der Mensch sich auszudrücken weiß, verwirklicht er sich erst richtig. Das Sprechen kann von inneren seelischen Schäden befreien, … Worte können quälen, aber auch heilen.
Die Heilung des Taubstummen ist nicht nur ein einfaches Wunder, sondern es stellt die Bedeutung von Sprechen und Hören auf den Prüfstand: Die Kommunikation ist ein Wunder. Dort wo sie leidet, leiden wir wie Hunde, gibt es Streit, Scheidung und (schlimmstenfalls) Krieg. Das wertvolle Gut richtiger und guter Kommunikation kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Die Kommunikation ist heute verführerisch, darf man hinzufügen. Im elektronischen Zeitalter um so mehr. In Wartesälen, in Bussen oder an Bushaltestellen, viele sitzen oft stumm mit ihren Handy nebeneinander; doch fragt man sich, ob die Kommunikation, das wahrhaftige Reden noch funktioniert und in Ordnung ist – in der heutigen modernen Zeit.
Wenn Jesus heute einen Taubstummen heilt, wird hervorgehoben, welch besondere Gabe Gottes es ist, richtig hinhören zu können, auf den Sprechenden zu achten, ihn (aus)reden zu lassen, seine Umstände wertzuschätzen, und dann auch wahrhaftige Worte als Antwort zu finden, die nicht nur dem „Smalltalk“entspringen.
Jesus will offene Ohren und einen offenen Mund, die immer auch das Herz des anderen treffen und nicht nur abwimmeln wollen.
Wenn wir das Hören zu selbstverständlich ansehen, verlieren wir den Sinn für die Wichtigkeit dieser Fähigkeit.
Gott will durch Jesus auch die Offenheit für die Worte Gottes fördern. „Wie schwerhörig sind wir oft Gottgegenüber“, sagte einst Papst Benedikt bei seinem Bayernbesuch in München vor 15 Jahren, weil wir ihn einfach nicht mehr wahrhaben wollen. Die Zeit und der Zeitgeist (Egoismus und Eigensinn) sind lauter als die Worte Gottes, die ein inneres Ohr brauchen. Das richtige Hören und Sprechen sind eine wahre göttliche Aufgabe in unserem Leben; doch in erster Linie sind sie ein göttliches Geschenk.
Schon das alte Testament (in der Lesung des heutigen Tages) betont das mehr als deutlich. Im Prophetenbuch Jesaia (35,4f) wird von der „Rache Gottes“ gesprochen; doch diese Rache ist keine Naturkatastrophe oder eine böse Krankheit. Die Rache Gottes an den Menschen ist seine Liebe. Und … konkret sagt Jesaia, zeigt sich diese Liebe unter anderem im richtigen Sprechen und Hören können.
Wenn also von der Rache Gottes gesprochen wird, ist hier konkret von einer richtigen offenen wahrhaftigen Kommunikation gesprochen. Das Aufdecken der Wahrheit und der Wahrhaftigkeit sind die Früchte der Liebe.
Das heutige Evangelium selbst spricht durch die Beschreibung dieses Wunders davon, wie intim und wieinnig die Fähigkeit der richtigen Kommunikation ist. Mit Speichel berührt Jesus den Taubstummen und mit Seufzen heilt er. Die Berührung mit Speichel mag auf den ersten Blick sicher zunächst etwas befremdlich wirken; doch auf den zweiten Blick erkennt man welche Innigkeit und auch Reife diese Form des Wunders ausdrückt. Die Liebenden berühren sich mit solcher Innigkeit und gerade in der Liebe der Menschen ist die richtige Kommunikation das A und O wahrer Beziehungsfähigkeit.
Gerade Brautpaare besuchen heute gerne wieder Kommunikationsseminare, weil oft das Reden in einer Beziehung (…gerade wenn dann Kinder in der Familie dazukommen…) immer schwieriger wird und oft zu sehr vernachlässigt wird. Es ist ein großes Geschenk,die Fähigkeit zu haben, miteinander so zu reden, dass man seine Seele verwirklicht und Wohlbefinden erzeugt wird. Doch es bleibt eine sehr große Aufgabe zugleich- das miteinander sprechen ist eine Lebensaufgabe.
Doch das Sprechen und Hinhören auf Gott selbst ist die Grundlage zu jeder menschlichen Kommunikation. Sein Geist, um den Jesus selbst heute „seufzt“ ist die Frequenz der Liebe.
Unser Glaube der Kirche hat das „Effata“ nicht vergessen: Bei jeder Taufe berührt der Taufspender beim Täufling Mund und Ohren, um zu zeigen, dass der Glaube unbedingt diese Sinnesorgane braucht. Und dass diese Organe im Herzen liegen. Gott will die „Offenen Herzen“, denn der Glaube kommt vom Hören (Röm).
Effata öffne Dich ist auch heute das A und O des Lebens.