von Pfarrer Thomas Gruber.
So kam er zu einer Stadt in Samarien, die Sychar hieß und nahe bei dem Grundstück lag, das Jakob seinem Sohn Josef vermacht hatte. Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war müde von der Reise und setzte sich daher an den Brunnen; es war um die sechste Stunde. Da kam eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen.
Jesus sagte zu ihr:
Gib mir zu trinken!
Seine Jünger waren nämlich in die Stadt gegangen, um etwas zum Essen zu kaufen.
Die Samariterin sagte zu ihm:
Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um etwas zu trinken bitten?
Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern.
Jesus antwortete ihr:
Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.
Sie sagte zu ihm:
Herr, du hast kein Schöpfgefäß und der Brunnen ist tief; woher hast du also das lebendige Wasser? Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben und selbst daraus getrunken hat, wie seine Söhne und seine Herden?
Jesus antwortete ihr:
Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zu einer Quelle werden, deren Wasser ins ewige Leben fließt.
Da sagte die Frau zu ihm:
Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierherkommen muss, um Wasser zu schöpfen!
Er sagte zu ihr:
Geh, ruf deinen Mann und komm wieder her!
Die Frau antwortete:
Ich habe keinen Mann.
Jesus sagte zu ihr:
Du hast richtig gesagt: Ich habe keinen Mann. Denn fünf Männer hast du gehabt und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Damit hast du die Wahrheit gesagt.
Die Frau sagte zu ihm:
Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott angebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muss.
Jesus sprach zu ihr:
Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden. Aber die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden. Gott ist Geist und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.
Die Frau sagte zu ihm:
Ich weiß, dass der Messias kommt, der Christus heißt. Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden.
Da sagte Jesus zu ihr:
Ich bin es, der mit dir spricht.
Inzwischen waren seine Jünger zurückgekommen. Sie wunderten sich, dass er mit einer Frau sprach, doch keiner sagte: Was suchst du? oder: Was redest du mit ihr? Die Frau ließ ihren Wasserkrug stehen, kehrte zurück in die Stadt und sagte zu den Leuten:
Kommt her, seht, da ist ein Mensch, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe: Ist er vielleicht der Christus?
Da gingen sie aus der Stadt heraus und kamen zu ihm. Währenddessen baten ihn seine Jünger: Rabbi, iss!
Er aber sagte zu ihnen:
Ich habe eine Speise zu essen, die ihr nicht kennt.
Da sagten die Jünger zueinander:
Hat ihm jemand etwas zu essen gebracht?
Jesus sprach zu ihnen:
Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu vollenden. Sagt ihr nicht: Noch vier Monate dauert es bis zur Ernte? Sieh, ich sage euch: Erhebt eure Augen und seht, dass die Felder schon weiß sind zur Ernte! Schon empfängt der Schnitter seinen Lohn und sammelt Frucht für das ewige Leben, sodass sich der Sämann und der Schnitter gemeinsam freuen. Denn hier hat das Sprichwort recht: Einer sät und ein anderer erntet. Ich habe euch gesandt zu ernten, wofür ihr euch nicht abgemüht habt; andere haben sich abgemüht und euch ist ihre Mühe zugutegekommen.Aus jener Stadt kamen viele Samariter zum Glauben an Jesus auf das Wort der Frau hin, die bezeugt hatte: Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe. Als die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, bei ihnen zu bleiben; und er blieb dort zwei Tage. Und noch viel mehr Leute kamen zum Glauben an ihn aufgrund seiner eigenen Worte.
Und zu der Frau sagten sie:
Nicht mehr aufgrund deiner Rede glauben wir, denn wir haben selbst gehört und wissen: Er ist wirklich der Retter der Welt.
Eine Reise in das Heiligen Land ist nach wie vor eine Sache interessanter Erfahrungen. Die Geschichte, die einem in diesem Land begegnet, ist einfach so überwältigend, dass sie wirklich lange einen in ihren Bann zieht: Die Geschichte des Alten Testamentes als Basis von 3 Weltreligionen, die neue Geschichte im Heute, wo der Konflikt zwischen Israel und der Arabischen Welt schwelt und natürlich „hauptsächlich“ das Leben Jesu.
Wenn man allerdings bei Fahrten nach Israel von den Fremdenführern dort empfangen wird, sind allerdings all diese wichtigen Themen nicht das erste, was man bei der „Betrachtung“ dieses Landes Israels hört. Wer Israel kennenlernen will, so die ersten Sätze über das Land, der muss verstehen, dass sich hier immer alles um das Wasser gedreht hat und immer noch dreht. Das Heilige Land braucht Wasser! Das Wasser ist das wichtigste Gut dort. Lange Regenausfälle schaden gewaltig, und Wasserknappheit ist zumeist auch der Hauptgrund für Rivalitäten zwischen den Volksgruppen.
Das Wasser und das Heilige Land stehen wirklich in einer besonders engen Beziehung. Nur wenn man dieses Wasserproblem versteht, versteht man die wirklichen Sorgen, die Seele des Landes.
Liebe Schwester und Brüder,
heute im Evangelium könnte man auch sagen: Es geht um ein Wasserproblem. Diese heutige Geschichte der Begegnung Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen, erscheint durch diese Gedanken, die ich mir am Anfang gemacht habe, noch mehr als eine Schlüsselstelle. Jesus spricht mit einer samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen. Das Wasser ist das zentrale Thema. Dass das Wasser für den Körper, das Leben überhaupt von zentralster Bedeutung ist, wird raffiniert übertragen auf die höhere Bedeutung, dass auch Gott und sein Wort wie Wasser für unsere Seele wirkt. Schon der Satz aus Jesaia 55,10 fasst dies schön ins Bild:
Denn gleichwie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, bis er die Erde getränkt und befruchtet und zum Grünen gebracht hat und dem Sämann Samen gegeben hat und Brot dem, der isst – genauso soll auch mein Wort sein, das aus meinem Mund hervorgeht: es wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern es wird ausrichten, was mir gefällt, und durchführen, wozu ich es gesandt habe!
Jesus will ausdrücken, dass wir Gott brauchen, wie Land das Wasser, um fruchtbar zu werden. Wir mögen fruchtbar werden, im befreiten, glücklichen und guten Tun, wenn wir von Jesus selbst wie von Wasser getränkt werden. Durch die Taufe sind wir sozusagen schon benetzt von Gottes Kraft.
Doch die Geschichte besitzt weitere Aussagekraft: Interessant aufgebaut wird dieses Evangelium erzählt. Jesus spricht immer vom Wasser im übertragenen Sinn, also vom Wasser des Wortes Gottes, und sie, die Frau, versteht nur immer „Bahnhof“ oder besser gesagt, die wortwörtliche Bedeutung von Wasser. Langsam erst kommt die Frau gedanklich voran und langsam zeigt er sich ihr als ein „Prophet“.
Dazu muss man den geschichtlichen Hintergrund sehen. Jesus redet da als Jude mit einer Samariterin. Die Samariter wohnten zwischen Jerusalem und Galiläa und waren deshalb nicht sehr beliebt, weil sie nur Mose als den Gesetzgeber und Großen Propheten verehrten. Die anderen Propheten (Elia, Jesaia, etc.), die zum Glauben der Juden gehörten, lehnten sie ab. Bereits seit der Besetzung des Israelischen Nordreiches 722 v. Christus durch die Assyrer hatten andere Götter Einfluss auf das Glaubensleben der Samariter und lenkten sie auf andere Glaubensvorstellungen. Schließlich hatten diese lange Zeit auch einen anderen Tempel, wo sie Gott verehrten. Nicht den in Jerusalem, sondern den in „Gorazim“.
Jesus allerdings schert sich um all diese Unterschiede nicht all zu sehr. Er spricht die Frau auf ihre fünf Männer an, was ja vielleicht im „Übertragenen Sinn“ auch so gesehen werden könnte, dass Jesus da auch generell den Einfluss der anderen Götter auf das Glaubensleben der Samariter anspielt.
Doch sicher ist: Ihm geht es um das „Lebendige Wasser“, also um das wahre innere glückliche Leben, das er selbst geben will. Egal nun, ob es eine Samaritanerin ist, oder ein Samaritaner, eine Jüdin oder ein Jude. Das Dumme ist nur: Sie versteht ihn zunächst nicht! Erst langsam kommt sie zur Einsicht: Jesus meint da, wenn der davon spricht, gar nicht so sehr das echte Wasser, sondern sich selbst, weil er der Retter ist.
Liebe Schwestern und Brüder,
wie oft verstehen wir Gott nicht? Diese Geschichte vom Jakobsbrunnen, die man sogar ein wenig als „humorvoll“ bezeichnen kann, weil da Jesus und die Frau dauernd so aneinander vorbeireden, will auch uns fragen: Wie oft versteht der Mensch Gott einfach nicht oder nicht gleich, obwohl er uns doch nur mit sich beschenken will.
Oft rede ich heute mit Menschen, die mir das bestätigen.
„Herr Pfarrer“ höre ich nicht selten, „früher habe ich für Sachen gebetet, die mir heute nicht mehr so wichtig sind. Mit der Zeit erkannte ich dann erst, was wirklich im Leben wichtig ist. Wie oft habe ich Gott einfach nicht verstanden! Und es war gut, dass er mich nicht gleich erhört hat. Heute kann ich da dankbarer sein – für vieles, weil ich mehr von seiner Botschaft aus der Lebenserfahrung erkannt habe. Heute habe ich klarere Augen!“
Liebe Schwester und Brüder, wie oft bitten Menschen um das Wasser des Lebens, um unsere Existenz; doch erst mit der Lebenserfahrung verstehen wir, was mit dem wahren Wasser gemeint ist, das uns Gott schenken will.
Schon Paulus sagte, um diese Erfahrung des Neuverstehens zu benennen:
Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich Mann wurde, legte ich ab, was Kind in mir war.
1 Korinther 13,11
Jesus und die Samariterin sind sicherlich ein Bild für den sich entwickelnden Glauben und das langsame Verstehen. So erkennen wir Jesus, als Retter.
Jesus wirbt im Evangelium darum, nicht mehr in den Tempeln Gott anzubeten, sondern nur noch im Geist und in der Wahrheit. Diese sicherlich auf den ersten Blick schwer zu verstehenden Worte mögen eine Einladung Gottes selbst sein, herauszukommen aus den „Tempeln“, um ihn mehr zu verstehen.
Was ist mit dem Herauskommen aus den Tempeln gemeint? Ich denke, wir können Gott oft nicht verstehen, weil wir unsere eigenen Vorstellungen von ihm haben. Er muss so sein, wie wir meinen, und das oder dies für uns tun. Er bittet uns, herauszukommen aus den „Tempeln“ unseres Eigensinns (unseren vorgefassten und vielleicht manchmal auch zu naiven Meinungen und Vorstellungen unseres Glaubens) und im Geist und der Wahrheit ihn anzubeten, … das heißt, ihn verstehen zu lernen: Gott schenkt uns sehr viel, wenn wir nicht zu viel eigene Vorstellungen damit verbinden, sondern uns offen anrühren lassen. Das ist das Wasser, das unsere Seele braucht. Unser Leben ist wie ein großes Land, ähnlich dem Heiligen Land, wir brauchen ihn als Wasser unseres Lebens und er schenkt sich uns: seine Nähe zum tiefen inneren Glück.
Amen.