von Pfarrer Thomas Gruber.
Einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, erzählte Jesus dieses Beispiel:
Lukas 18,9-14
Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens. Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Ich sage euch:
Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
Früher gab es eine Sendung, die hieß „Was bin ich“. Die Älteren werden diese einfache Quizsendung noch kennen. Für die Jüngeren ist sie leicht zu beschreiben. Robert Lemke, der diese Sendung über viele Jahre moderiert hat, begann das Raten des Berufes eines Kandidaten immer mit einer Handbewegung. Ob Bäcker, Ingenieur oder Arzt: Immer konnte der zu erratende Beruf mit einer kurzen Handgeste ausgedrückt werden.
Liebe Schwestern und Brüder,
das Evangelium von heute könnte auch mit einer sehr einfachen Handbewegung zusammengefasst werden:
Der Finger, gezeigt auf den Anderen, wird zum Schlagen auf die eigene Brust – auf sich selber.
Da kommt ein Pharisäer zum Beten. Er stellt sich vorne hin und stellt sich damit über den Anderen: „Siehe, was ich im Glauben alles leiste, und wie ich der Bessere bin“. Und dann kommt ein Zöllner. Er steht hinten und klopft sich auf die Brust: „Sei mir Sünder gnädig“. Der Letztere ging als Gerechter heim.
Die Handbewegung ist in einer ersten Betrachtung – zumindest theoretisch – leicht zu verstehen. Jesus meint: Selbstgerechtigkeit und Arroganz, besser sein zu wollen als der Andere, und das „sich über den Anderen stellen“ und das „mit den Finger auf andere zeigen“, ist nicht gut! Nachgeben und auch seine eigenen Fehler sehen, wie es der Zöllner macht, ist Jesus wichtig.
Liebe Schwestern und Brüder,
soweit lässt sich das Evangelium heute sehr leicht zusammenfassen.
Man darf heute aber noch ein bisschen tiefer schauen. Diese Handbewegung hat noch eine tiefere Dimension. Es geht hier nicht einfach nur um eine Beziehung zum Anderen und die Beziehung zu sich selber. Sondern der Zusammenhang sagt auch: Es geht Jesus heute auch und besonders um die richtige Haltung im Gebet, das heißt, es geht auch um die HANDBEWEGUNG NACH OBEN, wenn man im Bild bleiben will.
Das Gebet ist im Lukasevangelium ohnehin sehr betont. Jesus ist immer der Betende. Er gibt Gebetsunterweisungen, er betet für die Verfolger, er mahnt zum Gebet, er betet am Kreuz für seine Feinde, sogar im Sterben betet er. Das Gebet ist immer ein sehr wichtiges menschliches Geschehen, nicht nur etwas Frommes. Die Handbewegung nach oben klärt die Beziehung zu Gott, indem sie die Beziehung zu sich selber und damit auch die Bewegung gegenüber dem Anderen abklärt.
Die Haltung im Gebet drückt sich auch dadurch aus, dass man auf den Ort des Gebetes achtet. Da gehen beide zum Tempel hinaus. Wer das Land Israel kennt, der weiß, dass man zum Tempel von Jerusalem hinaufgehen muss. Da ist auch eine innere Haltung gemeint. Die Beziehung zu Anderen und zu sich selbst ist auch eine Bewegung nach oben. Die Handbewegung heute betrifft auch das Oben, die Beziehung zu Gott.
Der Pharisäer macht ja vieles richtig. Er fastet, er gibt Geld, doch stimmt die Haltung? Der Pharisäer ist hier in der Geschichte eine „überzeichnete Figur“, damit man versteht, was gemeint ist. Sein Gebet ist eher ein Monolog. Vielleicht fühlt man sich dabei auch an das „Spieglein, Spieglein an der Wand“ der bösen Königin im Märchen Schneewittchen erinnert: Er braucht den Vergleich mit anderen, um wer zu sein. Er muss was leisten, um wer zu sein. Und das führt zum „sich Erheben“. Das führt leicht zu Verblendungen. Er sieht seinen echten Fehler nicht mehr, seine Überheblichkeit.
Jesus aber hat ein Herz für die, die Fehler machen, und sich von ihm anrühren lassen. Deshalb ist es wieder ein Zöllner, der hier zum „Helden“ wird. Zachäus, der Zöllner Levi sind auch solche. Doch es geht hier eben nicht um diese Personen, sondern um die Haltungen: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ Sicherlich darf man das jetzt nicht zu floskelhaft sehen. Es geht hier nicht darum sich einfach wertlos zu machen, um sich wieder Lorbeeren zu verdienen. Hier geht es um eine innere „Handbewegung“ der Offenheit im Gebet.
Die Haltung des Zöllners wirbt um den echten Dialog. Die Haltung des Zöllners hinterfragt sich selbst. Diese wenigen Worte, drücken aus: Kann ich zu mir selbst eine Beziehung aufbauen, sehe ich eigene Fehler richtig, lasse ich mir etwas sagen, kann ich mich selber als Ganzes und Ganzer auch Gott „entgegenhalten“?
Das Gebet ist keine magische Zauberformel, so dass Gott sich nach mir zu richten hätte. Das Gebet wird im Bild dieser Handbewegung ein „Sich-Aufmachen“. Es ist nicht ein sich über den Anderen stellen und sich verschließen. Das Gebet heißt dann: Sich und sein ganzes Leben von Gott anschauen lassen, sich Gott hinhalten und Gott zeigen, dass man ein Bittender und Dankender ist, und doch vor Gott nur sagen kann: Dein Wille geschehe. Das ist nicht so einfach, doch machbar.
Man sagt, der Evangelist Lukas verarbeitet in den Worten Jesus heute auch das Leben des Heiligen Paulus. Paulus als Saulus, zunächst als strenger Pharisäer, suchte Gott in seinen eigenen Werken und Leistungen, auch dieser Saulus hat die Beziehung zu sich selber verloren, er hat sich hinter seinen Leistungen versteckt. Doch er wurde zum Paulus, indem er merkte, dass er zunächst sein ganzes Leben Gott hinhalten muss; das bedeutet, keine Ansprüche stellen, sondern eine offene Haltung im Dialog mit Gott suchen.
Was bin ich? So hieß die bekannte Sendung im Fernsehen. Das „Heitere Beruferaten“. Mit der Handbewegung weg vom Zeigefinger zum „In mich gehen“ haben wir eine Handbewegung, die mehr ist als meinen Beruf anzugeben, sondern unser aller Berufung, das heißt die Bewegung nach oben: Wir dürfen Fehler machen, wir dürfen unser ganzes Leben Gott hinhalten, jedes Gebet ist ein Reden mit Gott. Amen.