von Pfarrer Thomas Gruber.
Heute habe ich zum Beginn eine Ikone dabei, ein Bild aus Griechenland, das Mönche gemalt haben. Auf dieser Ikone ist Jesus Christus vor goldenem Hintergrund dargestellt.
Jesus hat auch – wie eigentlich auf jedem Bild aus dem Östlichem Raum – einen Heiligenschein. Was allerdings nicht gleich auffällt, Jesus hat auf solchen östlichen Ikonen immer auch einen besonderen Heiligenschein. Denn der Heiligenschein ist beschriftet. Hier – wie auf jeder Ikone – steht im Heiligenschein in griechischen Buchstaben „ho o^n“, zu deutsch „Der Seiende“, der „Ich bin“.
Diese Worte auf dem Bild sagen uns, dass Jesus auch den Namen „Ich bin“ trägt. Für die griechischen Künstler sind sie eine klare Anspielung auf Exodus Kapitel 3: Gott ist da, schon etwa 1.200 Jahre vor Christi Geburt, dem Mose im brennenden Dornbuch erschienen und hat gesagt „Ich bin Jahwe, der ‚Ich bin da‘“. Oder, wenn man „Jahwe“ korrekt übersetzt: der „Ich bin“.
Dieses Bild macht deutlich, Jesus Christus, das Wort Gottes, hat vorher schon gesprochen – also vor seiner Geburt als Mensch (vgl. Joh 1,1ff; Hebr 1,1ff.). Jesus selbst ist Gott, den es immer schon gegeben hat. Er hat immer schon zu den Menschen gesprochen. Er hat immer schon zwischen Gott Vater und uns Menschen vermittelt. Und er hat immer schon den Menschen geholfen.
Wer die Geschichte von Mose kennt, weiß das. Das Volk Israel lebte seit Josef und seinen Brüdern in Ägypten und wurde vom Pharao geknechtet und versklavt. Mose wurde von Gott beauftragt, Israel zu befreien. Deshalb erschien Jesus, das Wort Gottes, bereits 1.200 Jahre vor seiner Menschwerdung dem Mose. Er sagte ihm, er sei der „Ich bin da“ und kündigte die Rettung an. 1.200 Jahre später, als Jesus „menschlich“ zur Welt kam, ging es auch um die Rettung – um die grundsätzliche Rettung von unseren Sünden. Der Name „Jesus“ heißt ja auch übersetzt „er heilt / er rettet“.
Jesus, der Sohn Gottes, ist also schon dem Mose begegnet. Und wenn wir diese Geschichte genauer anschauen, sehen wir, wie Mose Gott kennengelernt hat. Dieser Mose ist ein Beispiel auch für uns, wie wir Jesus als rettendes Wort Gott entdecken können – in drei Schritten:
- Zunächst kommt da der Mose zu einem Dornbusch, der brennt und doch nicht verbrennt. Das ist schon eine komische Sache. Eigentlich etwas, wo man sagt, das gibt’s doch gar nicht. Kritisch würden wir da sagen, das muss eine Fatamorgana sein. Etwas was ist und doch nicht so ist. Eine Einbildung.
Der Dornbusch ist ein Zeichen, dass wir Gott nicht „so einfach“ sehen können. Jesus Christus als Sohn Gottes ist mit den Augen und mit dem Verstand allein nicht sichtbar. Wenn ich nur mit diesen Augen sehen und einzig mit dem rechnenden Verstand leben würde, wäre Gott wirklich nur wie eine Fatamorgana , nichts Echtes, eine Einbildung, eine Massenillusion.
Doch um das Göttliche zu erahnen, brauche ich auch das „Herz“. Gott kann ich nur mit dem Herzen sehen, so wie man einen echten Freund nur mit dem Herzen erkennen kann. Da reichen die Augen im Kopf und der nackte Verstand alleine nicht.
Und so sieht Mose auch Gott, mit dem Herzen also. Die Sehnsucht nach IHM lässt sich dem Dornbusch näher kommen. - Dann sagt Gott zu Mose: „Zieh deine Schuhe aus!“
Mose muss also barfuß auf Gott zugehen, um ihn zu erkennen und mit ihm zu sprechen. Die Schuhe ablegen, das ist auch der Schlüssel für unsere Gottesbegegnung.
Ohne Schuhe gehen, heißt viel offener für Gott sein. Nicht dickhäutig und stur auf eigenes Recht beharren, die unbewussten Mauern (Ausflüchte, Überspielungen etc.) „ausziehen“, die eigene Wahrhaftigkeit finden.
Wer schon einmal zuerst mit Schuhen und dann barfuß über denselben Weg gelaufen ist, mag vielleicht das Gefühl kennen. Ohne Schuhe fühle ich den Weg viel echter, spüre ich das Leben und mich selbst wirklicher, das Gehen ist wahrhaftiger. Da hat man ja auch was gespürt.
Glauben heißt ein Stück weit „Barfuß“ gehen. Das Leben echter sehen, die Ohren und Augen offenhalten für die Dinge, die Gott einem im Leben sagen will. Da steckt meine Seele nicht in dumpfen Schuhen, die mich taub machen für die Momente des Glücks und die Momente des Schmerzes. - Und wenn unsere Seele unser Herz barfuß ist – oder sagen wir besser bar(m)herzig ist – dann können wir beten, ja dann erfahren wir den Namen Gottes: Jahwe – „Ich bin da“ oder besser „Ich bin“. Gott ist immer da. Ich finde, das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Gott ist der, der immer da ist. Er steckt in allem, was es gibt, immer drin.
Immer wenn ich sage „‘Ich bin‘ glücklich, fröhlich, gut, lustig, hungrig, durstig“, sage ich immer das Wort „Gott“ mit. Und auch wenn ich sage „‘Ich bin‘ traurig, zornig, müde, enttäuscht, …“, auch da ist Gott immer noch da. Da sagt er mir: Er verlässt mich nicht. Wir Menschen leben leider mehr unter dem Moto „Ich muss haben, können, …“; doch da steckt wenig vom Namen Gottes drin. Es geht um das ‚Sein-dürfen‘ und nicht das ‚Haben-müssen‘. Natürlich will er, dass es uns gut geht. Deshalb beauftragt er den Mose, nach Ägypten zu gehen und Rettung zu bringen.
Wenn wir Jesus als ‚dem Seienden‘ (ho o^n) wirklich begegnet sind, heißt das (wie bei Mose) auch für uns: Nicht sitzen bleiben, sondern aufbrechen, von Gott erzählen. „Jesus“ verkünden heißt seinen Namen in die Welt tragen. „Er rettet“ sagen und leben. Das „Ich bin da“ leben, oder besser: „für die Anderen dasein“. Das ist das, was die Mosegeschichte uns sagen mag. Das ist das, was uns diese Ikone sagt, wenn wir im Heiligenschein Jesu schon seinen eigentlichen Namen lesen.
Jesus ist der, der schon immer war: Der ‚Ich bin da‘, der uns nie verlässt. Der rettet.
Amen